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Beton ist Gold

Das „Uferhallen-Manifest“ greift vielschichtig Berlins größtes Thema auf: Investitionen in Immobilien und was sie mit der Stadt machen

Anke Beckers ökonomische Worte Foto: Uferhallen-Manifest

Von Tom Mustroph

Die Kunst, das vielfältige Leben in der Stadt sind von Rendite-Interessen von Immobilienbesitzern bedroht. Diese These verhandelt auf so konzentrierte wie vielfältige und Komplexitäten widerspiegelnde Weise die Großausstellung „Uferhallen-Manifest“. Der Ort, also die Uferhallen, ist selbst ein Beispiel für das Wirken der Immo-Branche in der Stadt. Der Atelierstandort in den ehemaligen Straßen- und Pferdebahnhallen der BVG im Wedding wurde im Jahre 2016 aufgekauft. Seitdem fürchten die etwa 90 Künst­le­r*in­nen um ihre Ateliers. Im letzten Jahr machte die Ausstellung „Eigenbedarf“ bereits auf die Problematik aufmerksam.

Das Uferhallen-Manifest geht nun einen Schritt weiter. „Nicht nur die Kultur ist von steigenden Mieten bedroht, sondern jeder Einzelne. Wir wollten daher das ganze Problem in den Blick nehmen“, sagt Kuratorin Isabelle Meiffert der taz.

Der Blick aufs große Ganze gelingt. Bereits im Außenraum des etwa 19.000 qm großen Geländes wird man eingestimmt. „Take the money and run“, hat Kerim Seiler in bunten Neonröhren an die Backsteinfassade am Eingang geschrieben. Diese Aufforderung brauchen In­ves­to­r*in­nen freilich nicht. Mit Steuerschlupflöchern und Destinationen jenseits des Zugriffs des Finanzamts kennen sie sich oft prima aus. Jede vierte Berliner Wohnung gehört nach Recherchen des Ökonomen Christoph Trautvetter Besitzern, die ihre Reichtümer in Steuerparadiesen wie den Cayman Islands geparkt haben.

Aber sie sind nicht die einzigen preistreibenden Player auf dem Immobilienmarkt. Eine bereits mehr als eine Dekade alte Arbeit von Andreas Siekmann weist auf den Ausverkauf der Städte durch Bürgermeister und Senatoren hin. Siekmann skizziert in Vignetten die Dynamiken der Privatisierung öffentlichen Raums. Er beginnt mit den Tierskulpturen, die im neuen Millennium in vielen Kommunen als Stadtmöbel aufgestellt wurden. Bären waren es in Berlin, ein Elefant in Hamm, ein Rind in Prag und in Zürich.

Siekmann nimmt die Stadtraumverhübscher als Symbole für die „Trickle down“-Theorie. Die besagt, dass der Reichtum von oben irgendwann in die unteren gesellschaftlichen Schichten durchsickere, der Versuch einer Begründung also, dass Gentrifizierung Gutes bewirke. Auf weiteren Tafeln zeigt Siekmann dann Instrumente wie die Privatisierung von Stadtwerken, das Zurückleasen derselben. Er zeigt die Gated Communities, das Outsourcing kommunaler Dienstleistungen, und die Zugangsmöglichkeiten, die die Prekarisierten haben: als Konsumenten vielleicht und als Billiglohndienstleister. Das letzte Bild der Serie wirkt wie ein Vorgriff auf Corona: Ein Billiglöhner in Schutzanzug und Helm spritzt einen Berliner Bären ab – Desinfektion gegen Schmierinfektion lässt grüßen.

Siekmanns Arbeit ist zentral in der großen Halle auf einer quer durch den Raum laufenden Wand angebracht. Auf der Rückseite der Wand die ebenso emblematische Videoarbeit von Angelika Levi „Miete Essen Seele auf“. Levi begleitete den Widerstand von Mieter- und Bewohnerinitiativen am Kottbusser Platz.

Eine Widerstandswand hat Maria Eichhorn entwickelt. Im Außenraum klebte sie Plakate, die zur Verteidigung der Liebigstraße 34 aufrufen oder gegen rechten Terror mobilisieren. Einen Tag vor Eröffnung der Ausstellung wurde die Liebigstraße geräumt. Polizeisirenen im Friedrichshain, Betroffenheit im Wedding.

Aber keinesfalls Resignation. Klaus Weber, der auf dem Gelände sein Atelier hat, stellt in kleinen Flaschen Sporen des sogenannten Asphalt-Champignons bereit. Der Pilz, der essbar ist, sprengt mit seinem Wachstum versiegelte Flächen auf. Kleine rote Fahnen auf einem Stadtplan von Berlin markieren, wo Besucher ihre Champignons anzupflanzen gedenken. Die Arbeit befindet sich in der zweiten Halle.

Gleich am Ausgang hat Sebastian Gumpinger in einem komplett weißen Raum einen schwarzen Latexschlauch in unendlich scheinenden Kurven installiert. Etwas Nebel zischt in den Raum, macht das Gesehene flirren und dehnt das Kubusinnere bis ins Unendliche aus. Ein Raum, der den Kopf befreit, ein gutes Statement am Ende eines Manifests.

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