Jodmangel wieder auf dem Vormarsch

Besonders Vegetarier und Veganer sind betroffen. Dies müsste jedoch nicht so sein

Guter Fang: Seelachs ist gesund und enthält ausreichen Jod Foto: Chris Cheadle/All Canada Photos/picture alliance

Von Kathrin Burger

Das Spurenelement Jod ist in der Natur sehr ungleich verteilt. Manche Böden und Grundwässer liefern reichlich von dem für den Menschen essenziellen Nährstoff, während es in anderen Gegenden an Jod mangelt. Rund zwei Milliarden Menschen weltweit sind darum schätzungsweise mit Jod unterversorgt. Auch in Deutschland: je weiter im Süden desto weniger jodhaltig sind die Böden.

Eine gute Versorgung mit Jod kann daher nur durch den Konsum von Seefisch oder Milch und Milchprodukten erreicht werden. Milch ist ein Jodlieferant, da Viehfutter mit dem Mineralstoff angereichert wird. Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfehlen obendrein die Verwendung von Jodsalz im Haushalt. In der Herstellung von Brot, Wurstwaren oder Fertigprodukten wird bei rund jedem dritten Produkt Jodsalz verwendet.

Dank dieser Maßnahmen hat sich zwar die Jodversorgung seit den 1980er Jahren verbessert. Seit einiger Zeit wird jedoch laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wieder ein Rückgang gemessen. So haben epidemiologische Studien ergeben, dass ein Drittel der Erwachsenen und Kinder hierzulande unter einem milden oder moderaten Jodmangel leiden. Und eine aktuelle Auswertung des Speiseplans sowie verschiedener Blut- und Urinwerte von 72 Probanden durch das BfR zeigte, dass sowohl bei einer Mischkost, vor allem aber bei einer veganen Ernährungsweise ein Jodmangel droht.

Zwar ist die Studie klein, es wurde die Ernährungsweise jedoch akribischer und damit verlässlicher ausgewertet, als dies in größeren Studien möglich ist. Zudem wurde die Jodversorgung über Urinproben gemessen. Der Mangel war bei der veganen Gruppe deutlich ausgeprägter – bei einem Drittel lag der Wert unterhalb von 20 Mikrogramm pro Liter (μg/l), dem Grenzwert für eine schwere Unterversorgung.

Jod braucht der Körper um Schilddrüsenhormone herzustellen. Diese sind an vielen Stoffwechselprozessen vor allem am Wachstum und der Gehirnentwicklung beteiligt. Ein Zuwenig an Jod ist darum vor allem in der Schwangerschaft, der Stillzeit und im Kindesalter fatal.

Darum empfiehlt das Netzwerk „Gesund ins Leben“ in Schwangerschaft und Stillzeit Jod in Rücksprache mit einem Arzt in einer Menge von 100 bis 150 Mikrogramm pro Tag als Tablette einzunehmen. Zwar schaffen es die meisten Frauen, Jod ausreichend über die Nahrung, etwa Milchprodukte, Seefisch oder Jodsalz zu konsumieren.

Ein Teil ist jedoch unterversorgt und das hat Folgen: So zeigte eine britische Studie im Jahr 2013, dass Kinder von Müttern, die in der Schwangerschaft einen milden oder moderaten Mangel erlitten, in Intelligenz- und Lesetests schlechter abschnitten. Bei schwerem Mangel drohen irreversible Schäden der physischen und psychischen Entwicklung des Kindes.

Auch im Kindesalter ist eine gute Jodversorgung noch extrem wichtig. Eine Untersuchung des Robert Koch-Instituts (RKI) aus dem Jahr 2019 zeigte jedoch, dass Kinder und Jugendliche nicht mehr genügend Jod zu sich nehmen. Die Weltgesund­heitsorganisation (WHO) hält Schulkinder für ausreichend mit Jod versorgt, wenn die Jodausscheidung im Urin zwischen 100 und 199 μg/l liegt. In der RKI-Studie lag diese jedoch nur bei durchschnittlich 90 μg/l. Im Vergleich zum Jodmonitoring, das elf Jahre zuvor durchgeführt wurde, ist der Wert damit um satte 23 Prozent gesunken.

Die DGE rät unter anderem darum auch Schwangeren und Kindern sicherheitshalber ganz von einer veganen Ernährung ab. Da Jod vor allem über Milch aufgenommen wird, sind entsprechende pflanzliche Ersatzprodukte keine wirkliche Alternative. Milch aus Soja, Reis oder Hafer liefert nämlich zum Beispiel gar kein Jod. Darum sollte vor allem bei Kindern, Schwangeren und Stillenden Milch nicht durch Pflanzendrinks ersetzt werden. Biomilch liefert übrigens weniger Jod, da auf Biohöfen die Tierfutterjodierung nicht so üblich ist.

Im Reich der Pflanzen können nur Algen einen hohen Jodgehalt aufweisen. Allerdings ist dieser teilweise so hoch, dass umgekehrt eine Überversorgung droht. Das BfR rät darum vom Verzehr ab. Markus Keller, Wissenschaftler am Institut für alternative und nachhaltige Ernährung (IFANE) sieht jedoch kleine Mengen der Nori-Alge als sinnvolle Ergänzung an, wenn diese einen deklarierten Jodgehalt von weniger als 20 mg/kg aufweisen. Bei Nori-Flocken ist die Dosierung besonders einfach: Ein gehäufter Teelöffel pro Tag deckt fast den Bedarf von Erwachsenen.

Ein Zuwenig an Jod ist vor allem in der Schwangerschaft, der Stillzeit und im Kindesalter fatal

Auch in der Kinderernährung sei die Jodversorgung über Algen möglich, so Ute Alexy, Ernährungswissenschaftlerin an der Universität Dortmund. Wenn Kinder die Algen ablehnen, plädiert sie für Jodtabletten. Jodsalz hält sie aber in jedem Fall für wichtig, ebenso den Kauf von Produkten, die mithilfe von Jodsalz hergestellt wurden. Alle Experten sehen jedoch in der veganen Kinderernährung eine medizinische Begleitung sowie eine Ernährungsberatung für unabdinglich.

Generell hat eine pflanzenbasierte Ernährung nämlich auch erhebliche Vorteile: Die Autoren der aktuellen BfR-Studie geben zu Bedenken, dass eine vegetarische Ernährung zu weniger Herzkrankheiten führt und eine vegane Ernährung das Krebsrisiko senkt. Beide Ernährungsformen seien zudem umweltfreundlicher als die übliche Mischkost. Immer mehr, vor allem junge, gebildete Frauen setzen auf eine fleischfreie oder vegane Kost.

Andererseits gibt es auch seit Jahren Kritik an einer Jodanreicherung. Das Hauptargument: Eine zu weitreichende Jodierung, eine „Zwangsjodierung“ von Lebensmitteln führe zu Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse. Laut Studien der Cochrane-Vereinigung geht eine lang anhaltend zu hohe Jodzufuhr zwar tatsächlich mit einem leicht höheren Risiko einher. Allerdings könnte dies auch noch andere Gründe haben wie Umwelteinflüsse, starker Stress oder genetische Voraussetzungen. Dies wurde in den Studien nicht untersucht, monieren die Cochrane-Wissenschaftler.

Die Kritik richtete sich vor allem auch an den „Arbeitskreis Jodmangel“, der sich seit 1984 für die Jodierung von Lebensmitteln einsetzt. Das Problem: Der Arbeitskreis wird großteils von Jodherstellern wie der Pharmafirma Merck finanziert. „Dennoch sollte dies nicht von der Jodierung von Lebensmitteln abhalten“, meint Michael Krawinkel, Ernährungswissenschaftler an der Universität Gießen, der keine Verbindungen zu dem Arbeitskreis hat. Er hält die Jodierung für sehr nützlich. Vor allem sozial schwache Familien, die sich nicht über Nori-Flocken Gedanken machen könnten, würden so erreicht. Da Jod großteils über den Urin ausgeschieden werde, sieht er bei den derzeit üblichen Mengen auch kein Risiko einer Überdosierung.

Laut der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA stellt eine Aufnahme von bis zu 600 Mikrogramm Jod pro Tag für Erwachsene kein Problem dar. Modellberechnungen des BfR haben gezeigt, dass durch die praktizierte Tierfutterjodierung auch bei einer gleichzeitigen ausschließlichen Verwendung von jodiertem Speisesalz gesundheitliche Beeinträchtigungen sehr unwahrscheinlich sind. Im Schnitt liegen die aktuellen Verzehrmengen der Deutschen bei 100 Mikrogramm Jod pro Tag. 180 bis 200 Mikrogramm wäre der Bedarf.