heute in bremen
: „Viele Leute hören zu wenig zu“

Foto: privat

Christian Gutsche

34, promovierter Physiker, Klimakommunikations-Trainer und Mitgründer vom Café Sunshine, baut eine Firma für den Selbstbau von Solarstrom­anlagen auf.

Interview Alina Götz

taz: Herr Gutsche, was sagen Sie Leuten, die den menschengemachten Klimawandel leugnen?

Christian Gutsche: Wenn es Leute sind, bei denen ich sicher bin, dass ich da nichts mehr verändern kann, würde ich mir ein Gespräch gar nicht antun – außer es sind weitere Menschen anwesend, die ich dadurch indirekt erreichen kann. Aber wenn ich mit Menschen zu tun habe, die verunsichert sind und bei denen ich das Gefühl habe, da könnte man noch was erreichen, würde ich in die Kommunikation gehen. Das heißt dann vor allem erst einmal zuhören. Viele Leute senden zu viel und hören zu wenig zu.

Und was sagen Sie nach dem Zuhören?

Ich würde versuchen, mit einfachen Worten wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden zu erklären. Dazu entwickle ich gerade ein sogenanntes Klima-ABC – denn viele Leute arbeiten mit zu vielen und ungefilterten Infos. Das heißt, sie sind überfordernd oder unverständlich. In einem Klima-ABC könnte stehen, was am wichtigsten ist. Was passiert, wenn wir nichts tun? Was passiert, wenn wir etwas tun? Was müssen wir tun, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen? Und ich würde Analogien und einfache, logische Argumentationen nutzen, also zum Beispiel: Wissenschaftler*innen arbeiten da schon ewig dran und sind global verteilt. Glaubst du, dass die alle Mist bauen?

Neben Leugner*innen gibt es ja auch Menschen, die trotz besseren Wissens nichts auf Klimaschutz geben, weil sie sagen, es sei eh zu spät.

Workshop „Wie geht gute Klimakommunikation?“: 9. bis 11. 10, Martin-Luther-Gemeinde in Findorff, Spendenbasis, Anmeldung an bildungswerk@kirche-bremen.de

Es gibt ein CO2-Budget, das ist noch nicht überschritten. Das 1,5-Grad-Ziel ist ambitioniert, aber machbar. Und ich würde die Vorteile klimaschützender Maßnahmen betonen. Eine Stadt mit weniger Autos ist zum Beispiel auch sicherer, gesünder und schöner.

Und wie reagieren Sie auf die Reflektierten, Gebildeten, die schon dank ihrer Schicht im Schnitt bereits einen höheren ökologischen Fußabdruck haben, stets mit schlechtem Gewissen und Plänen rumlaufen, aber nicht viel ändern?

Ich finde es grundsätzlich wichtig, den Leuten Lust auf Klimaschutz zu machen, und zwar vor allem durch gut gemachte und kommunizierte Maßnahmen. Es hilft, eine Berührtheit dafür zu schaffen, was gerade mit unserer Welt geschieht. Das ist aber anstrengend und meist nichts für den Anfang. Wie beim Thema Massentierhaltung: Lieber erst mal die Leute geile vegane Chicken McNuggets probieren lassen, als schlimme Bilder aus Ställen zu zeigen. Und wir müssen bedürfnisorientierter denken. Was brauche ich für ein gutes Leben? Und wie viel ist Gewohnheit? Wenn ich beispielsweise einen erholsamen Urlaub in der Natur möchte, macht eine Flugreise nach Bali mit Stress am Flughafen, Jetlag und einem Temperaturschock vor Ort keinen Sinn.