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Politik rüstet sich für die zweite Welle

Mit „Fieberambulanzen“ will Gesundheitsminister Spahn auf die hohen Infektionszahlen reagieren. Ab Oktober sollen neue Quarantäneregeln gelten

Von Frederik Eikmanns

Die Coronasituation in Deutschland bereitet Anlass zur Sorge. Die Infektionszahlen sind hoch, und viel deutet darauf hin, dass sie weiter steigen werden – so wie in fast allen anderen europäischen Ländern.

Am Samstag war mit 2.297 neuen Corona-Infektionen der höchste Wert seit April erreicht worden. „Nach einer vorübergehenden Stabilisierung der Fallzahlen auf einem erhöhten Niveau ist aktuell ein weiterer Anstieg der Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten“, schrieb das Robert-Koch-Institut (RKI) in seinem Lagebericht vom Sonntag.

Zwar meldete das Institut am Montag lediglich 922 neue Infektionen in Deutschland, allerdings liegen die Zahlen zu Wochenbeginn stets deutlich niedriger als sonst. Über das Wochenende melden manche Gesundheitsämter keine Zahlen an das RKI. Tatsächlich dürfte es also deutlich mehr Neuinfektionen gegeben haben als bekannt. „Es kommt aktuell vermehrt zu Ansteckungen und Übertragungen innerhalb Deutschlands“, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will „die Entwicklung jetzt brechen“. Sein Vorschlag: In Regionen mit hohen Infektionszahlen soll auf öffentlichen Plätzen eine Maskenpflicht gelten. Auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach befürwortet dies.

München setzte diesen Vorstoß am Montag prompt um. In der Landeshauptstadt lag die Quote zuletzt bei wöchentlich 55,6 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner:innen. Der Krisenstab der Stadt beschloss deshalb, dass ab Donnerstag an bestimmten Orten eine Maske getragen werden muss, falls die Zahlen weiterhin so hoch bleiben. Für Feiern in geschlossenen Räumen soll in diesem Fall eine Grenze von maximal 25 Personen gelten, privat dürfen sich nur noch bis zu 5 Menschen treffen.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warb derweil für gesonderte Anlauf- und Behandlungszentren, die Patient:innen mit Atemwegsbeschwerden ansteuern können. Solche „Fieberambulanzen“ sollten laut Spahn flächendeckend aufgebaut werden. „Ich setze darauf, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen solche zentralen Anlaufstellen vor Ort anbieten werden“, sagte er der Düsseldorfer Rheinischen Post. Für Mitte Oktober kündigte Spahn eine neue Coronateststrategie und neue Quarantäneregeln an.

Elternvertreter:innen zeigten sich am Montag besorgt. „Die Schulen sind nicht besser vorbereitet als im März“, warnte der Vorsitzende des Landeselternausschusses Berlin, Norman Heise, mit Blick auf eine neue Infektionswelle.

Die deutlichen Worte des Elternvertreters waren wohl eine Botschaft an Kanzlerin Angela Merkel. Sie sollte am Montagabend mit Spitzenpolitiker:innen und Mi­nis­ter:in­nen zusammenkommen, um zur Coronasituation im Bildungssystem und der Digitalisierung des Unterrichts zu beraten.

Angekündigt waren neben Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) auch SPD-Chefin Saskia Esken und die Kultusminister:innen der Bundesländer. Vertreter:innen von Bund und Ländern hatten schon zuvor versichert, dass es nicht mehr zu flächendeckenden Schulschließungen kommen solle.

Im Vorfeld des Bildungsgipfels betonten die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), der Verband Bildung und Erziehung (VBE) und der Bundeselternrat (BER) die Bedeutung von Luftfiltern im Klassenzimmer. Sie reinigen die Raumluft und fangen auch die Aerosole ab, über die sich das Coronavirus verbreitet.

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