„Frauen-Fußball pushen“

Women*Team (XIX): Sportlerinnen bekommen weniger Aufmerksamkeit und Geld für ihre Leistungen als Männer. Hier kommen sie zu Wort. Jalila Dalaf hat sich mit sieben Jahren heimlich beim Fußball angemeldet. Nun könnte sie in der 1. Liga spielen, geht aber, wenn es am schönsten ist

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Jalila Dalaf

27, hat mit einem kurzen Abstecher zum FF USV Jena bis zur vergangenen Saison beim SV Meppen gespielt. Jetzt ist sie Stürmerin beim 1. FC Sarstedt.

Interview Moritz Klindworth

taz: Frau Dalaf, sie verzichten auf die Möglichkeit beim SV Meppen in der Ersten Bundesliga zu spielen und sind jetzt beim 1. FC Sarstedt in der Bezirksliga. Warum?

Jalila Dalaf: Frauenfußball spielt man, weil man es liebt und nicht wegen des Geldes. Man verdient kaum etwas und der Aufwand ist extrem. Aus diesen Gründen war klar: Ich werde mit meiner Profikarriere aufhören, wenn es am schönsten ist. In meinem letzten Spiel für Meppen habe ich ein Tor und zwei Torvorbereitungen gemacht. Wir haben 3:1 gewonnen und sind aufgestiegen. Ich habe meinen Teil zum Aufstieg beigetragen. Jetzt freue ich mich auf den 1. FC Sarstedt. Da habe ich meine Jugend verbracht. Mit meiner Profierfahrung möchte ich meinem Heimatverein weiterhelfen.

Wie sind Sie zum Fußball gekommen?

Ich habe mich heimlich bei einem Fußballverein gemeldet. Da war ich sieben. Der VfB Peine war mehrere Kilometer entfernt und ich wusste nicht, wie ich dahinkomme. Ich habe dann erzählt, ich würde an einer bestimmten Straßenecke wohnen, weil meine Eltern das nicht wissen durften. Dann hab ich da gewartet und wurde abgeholt. Ich war ganz gut und die haben alles geklärt. Ich musste keinen Vereinsbeitrag zahlen oder Fußballschuhe kaufen.

Wie ist es rausgekommen?

Über die Zeitung. In der Altersklasse haben wir alles gewonnen. Mit 20:0, weil ich so viele Tore geschossen habe. Als wir Einlaufkinder beim VFL Wolfsburg waren, ist das Bild in der Zeitung erschienen. Mein Vater hat es gesehen. Er war verärgert, dass ich es verheimlicht habe.

Warum konnten Sie es nicht einfach sagen?

Wir kommen aus Syrien. Da ist Fußball nicht so angesehen für Frauen. Deshalb war es einfach kein Frauensport für meine Eltern, vorerst.

Aber sie haben es irgendwann akzeptiert?

Mein Bruder hat sich für mich eingesetzt. Meine Eltern waren dann der Meinung, wenn ich den Sport liebe, soll ich weitermachen. Für sie war es neu, dass ein Mädchen Fußball spielt.

Wie ist es denn in Syrien selbst?

Dort gibt es eine College-Auswahl, in der Frauen spielen. Dorthin wurde ich eingeladen, als ich 14 Jahre alt war. Das haben meine Eltern aber nicht zugelassen, weil es ihnen wegen des Bürgerkrieges zu heikel war.

Woher kam es, dass Sie Ihre Leidenschaft für den Sport gegen alle Hindernisse durchgesetzt haben?

Ich hatte einfach einen Traum und Kinder lassen sich von ihren Träumen nicht abbringen. Aus heutiger Sicht war das extrem selbstbewusst. Die Liebe zum Fußball war viel größer als jede Angst.

Kann der Sport mehr Mädchen empowern?

Jede Sportart, die man macht, verleiht einem Selbstbewusstsein. Am Ende des Tages sollte das von innen kommen, aber Sport hilft.

Sie sind 2019 nach Jena gewechselt. Wie war es für Sie, in der Ersten Liga zu spielen?

Es war mein Traum, seitdem ich klein war. Ich habe es erst mit 26 Jahren geschafft. Aber Hauptsache, man kommt an sein Ziel.

Was sagen Sie Leuten, die meinen, Frauen spielten von Natur aus schlechter als Männer?

Die Männer gehen zweimal am Tag zum Training und haben dazwischen frei. Wir gehen zum Training, zur Arbeit und dann wieder zum Training und bekommen nicht mal ein halbes Prozent dessen, was Männer verdienen.

Wem machen Sie das zum Vorwurf?

Nichts gegen die Männer. Durch die Zuschauereinnahmen generieren sie sehr viel Geld. Man müsste den Frauenfußball weiter pushen. Aber die Medien bilden ihn kaum ab.

Liegt es nur an den Medien oder auch an der Attraktivität des Sports?

Es ist nicht so, dass Frauenfußball langweilig wäre. Die Männer spielen 90 Minuten und 30 Minuten davon liegen sie auf dem Boden und heulen. Ich liebe aber trotzdem den Männerfußball. Am meisten bewundere ich Cristiano Ronaldo, weil er so diszipliniert ist.