: Niederlande: Kuhhandel mit einhundert Flüchtlingen
Aus Amsterdam Tobias Müller
Das Thema Moria sorgt in der niederländischen Regierungskoalition in Den Haag für Unstimmigkeiten: Die liberalen Democraten66, die strenggläubige ChristenUnie (CU) sowie die Christdemokraten (CDA) wollen, nicht zuletzt auf Druck ihrer Basis, Hilfe leisten. Der Seniorpartner aber, die rechts-liberale VVD von Premier Mark Rutte, steht ebenfalls unter Druck: Jede größere humanitäre Geste könnte ihr ein halbes Jahr vor den Parlamentswahlen als Schwäche ausgelegt werden.
Vor diesem Hintergrund verabschiedete das niederländische Parlament in der letzten Woche einen Kompromiss, der typisch ist für diese Koalition: 100 Personen aus dem abgebrannten Camp in Moria will man aufnehmen – jeweils 50 unbegleitete Minderjährige unter 14 Jahren und 50 besonders verletzbare Personen. Soweit ging also das Zugeständnis der VVD – wofür ihr seitens der rechtspopulistischen Partij voor de Vrijheid und Forum voor Democratie sowie der rechten Presse umgehend Schwäche und Einknicken vorgeworfen wurde.
De facto bedeutet die Aufnahme der 100 Personen aber nur eine Umverteilung von Geflüchteten, denn im Gegenzug sinkt die Zahl derjenigen, welche die Niederlande im Rahmen des UN-Resettlement-Programms aufnehmen. Dies betrifft Personen, die außerhalb der regulären Asyl-Prozedur auf 34 Staaten verteilt werden. Die Niederlande haben derzeit ein Kontingent von 500 Personen pro Jahr. 2021 werden dies nur 400 sein.
Dass selbst dieser Kuhhandel mit weitgehend symbolischem Wert und minimalem Umfang, von einem Volkskrant- Kommentar als „Quartett um Flüchtlinge“ kritisiert, zu einem Koalitionsstreit führt, zeigt die politischen Kräfteverhältnisse im Land. Die linke Opposition protestiert gegen den Deal und Menschenrechtsorganisationen äußern schwere Kritik. Unbestritten ist aber auch, dass der Kurs von Ruttes VVD den derzeit mehrheitsfähigen Positionen entspricht. Ungeachtet dessen wittern die national-populistischen und identitären Kräfte einen Versuch „illegaler Massenimmigration“, was einen unangenehmen Vorgeschmack auf den kommenden Wahlkampf liefert.
Das Thema Moria ist derweil fürs Erste durch. Von den Plänen Deutschlands, 1.500 Menschen aufzunehmen, hat man in den Niederlanden Kenntnis genommen. Einen Effekt auf die hiesige Debatte hat das freilich nicht. Der Deal ist geschlossen, und jenseits des schmaler werdenden humanitären Korridors gibt es für die Aufnahme Geflüchteter offenbar keine mehrheitskompatible Lobby mehr.
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