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was tun im norden?

Sa, 26. 9., 20.30 Uhr, Theater Oldenburg

Größer als Goethe

Es gibt nun nicht so viel daran zu deuteln, dass „Faust“ weltliteraturmäßig eine große Nummer ist. Für Regisseur Robert Gerloff kein Grund, im Anschluss kleiner weiterzumachen, sondern im Gegenteil noch ein paar Tonnen Kampfgewicht oben draufzulegen: mit King Kong nämlich. Was die beiden Inszenierungen der so ungleichen Klassiker gemeinsamen haben, ist Gerloffs kritischer Blick auf ihre Geschlechterordnungen. Hatte er beim Goethe die Frauenrollen ins Licht gerückt, sind es bei dem Kinoklassiker nun die Herren: „King Kong und der alte weiße Mann“ heißt das Stück, was lustig klingt und trotzdem ganz schön wichtig ist. (jpk)

Mo, 28. 9., und Di, 29. 9., Hamburg, Elbphilharmonie

Komplexe Künste

Die erste Gemeinsamkeit von Performancekunst und Neuer Musik ist wohl, dass sich beide nicht erklären lassen, ohne dass am Ende irgendjemand so richtig sauer wird. Jenseits solcher Laienprobleme gibt es allerdings auch tatsächliche Berühungs- und Reibungspunkte, die das neu begründete „Festival für Immaterielle Kunst“ in der kommenden Woche in und vor der Elbphilharmonie durchspielen möchte. Satte acht Uraufführungen kreisen allesamt um den menschlichen Körper – als Instrument, Kommunikationsmedium und Projektionsfläche. Mehr auf: www.immateriellekunst.de. (jpk)

Premiere: Do, 1. 10., 19.30 Uhr, Theater Bremen

Allein in der Oper

Die Mono-Oper ist das korrespondierende Gegenstück der Opéra: Wo letztere Massen dirigiert und machtvoll das ganze Spektrum der Möglichkeiten auslotet, ist erstere das Konzentrat des Prinzips Musiktheater, beliebt, wenn die große Bühne versperrt war – sei es aus finanziellen oder politischen Gründen. Die dissidente sowjetische Musik der 1950er- bis 1970er-Jahre kennt grandiose Mono-Opern, die sich zur Not eben auch zu Hause aufführen ließen. Das hatte Francis Poulenc 1958 nicht nötig: Seine Vertonung von Jean Cocteaus nur leicht modifiziertem Monolog „La voix humaine“ (1929) wählt das Subgenre aus inhaltlichen Gründen.

Das Thema ist Vereinzelung, das Stück besteht aus einem Telefongespräch, also einem Dialog ohne Gegenseite, nicht einem Monolog. Und es handelt von der Unmöglichkeit, durch einen technischen Apparat Nähe herzustellen. Die Berührungen, die er erlaubt, sind allenfalls suizidale Gesten mit der Schnur (früher hatten Telefone noch Schnur); die ständig auf sich zurückgeworfene Stimme, die, getragen vom Orgelpunkt des Sehnens und Verlangens, das stumme „Tu“ eines Liebhabers am anderen Ende der Leitung ansingt (früher wurden Gespräche über Leitungen übertragen), der sie verlassen hat; die Stimme, die seine Worte wiederholt wie Echo die von Narziss, um den verlorenen Kontakt zu wahren; die Stimme, die von anderen Stimmen gestört wird (durchs Amt etwa, das damals noch die Telefon-Gespräche vermittelte): Das ist, sogar in der reduzierten Klavierfassung, die Bremen zeigt, großes Drama. Und ohnehin tolle Musik. Das Stück der Stunde, das auch in Hamburg ab dem 11. Oktober auf dem Spielplan steht. (bes)

Mi, 30. 9., 20 Uhr, Hamburg, Nochtspeicher

Das mit dem Absagen

Als Nun-auch-Roman-Debütantin hätte die Kabarettistin Lisa Eckhart unlängst im Hamburger „Nochtspeicher“ auftreten sollen. Nachdem ein älterer Schnipsel ihres Kabarettprogramms wegen rassistischer und antisemitischer Stereotype eine späte Skandalisierung erfuhr, mochten die Klubbetreiber*innen die kontroverse Künstlerin lieber doch nicht beherbergen – wegen möglicherweise eskalierenden Protests. Sie waren, bei Licht besehen, also selbst die Agenten der „Cancel Culture“, die zu beklagen inzwischen zentrale Wahlkampfstrategie etwa des US-Präsidenten ist. Dass sie nun eine Podiumsdiskussion „‚Cancel Culture‘ und ‚Political Correctness‘“ – gleich noch so ein Kampfbegriff – überschreiben, lässt eine andere Rollenverteilung erwarten. Vielleicht retten ja die Beteiligten – Aram Ockert, Matthias Politycki, Hanno Rauterberg und Regula Venske – den Abend? (aldi)

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