From Station to Station

Foto: Ullstein Bild

Die Menschen bestaunen ihn wie eine Sensation. Sie lugen hinein, versuchen einen Blick in den Führerstand zu erhaschen. Neben dem kolossalen Triebfahrzeug wirken sie klein. „TEE“ steht an der Front geschrieben, für „Trans Europ Express“. Am 2. Juni 1957 fahren erstmals Züge dieses Typs im deutschen Bahnnetz, sie fahren nach Brüssel und Mailand, Amsterdam und Zürich, von Köln nach Paris in 5:13 Stunden. Der TEE: ein bordeauxrot-beiges Versprechen von Eleganz, Modernität, Zukunft. Vom Zusammenwachsen Westeuropas.

Die Elektronikpioniere von Kraftwerk haben dem Zug 1977 ein musikalisches Denkmal gesetzt. Der Song „Trans Europa Express“ (vom gleichnamigen Album) zeugt von Aufbruchstimmung. „Rendezvous on Champs-Elysees/ Leave Paris in the morning with T.E.E. […]/ From station to station/ Back to Düsseldorf City/ Meet Iggy Pop and David Bowie“, heißt es da in Anspielung an den Bowie-Song „Station to Station“; die Verse werden mit robotischer Stimme vorgetragen, die Beats rollen im Maschinentakt an, die Synthesizer klingen so, als bewegten sich Kraftwerk im Schwebezustand über den Kontinent, als feierten sie eine wiedergewonnene Internationalität. Nach dem TEE benannte auch der berühmte französische Schriftsteller und Autor Alain Robbe-Grillet einen surrealistischen Film.

Nun kommt es, gelinde gesagt, nicht oft vor, dass Andi Scheuer (CSU), seines Zeichens Bundesverkehrsminister, gute Ideen hat oder dass ihm solche von seinen BeraterInnen souffliert werden. Wenn er aber jetzt eine Neuauflage des Trans Europ Express für das 21. Jahrhundert ins Spiel bringt, hat dieser Gedanke etwas durchaus Charmantes. Da blitzt eine kurze Utopie auf: saubere Schnellzüge durch Europa, diesmal sogar durch ganz Europa, von West nach Ost, von Nord nach Süd. Tschüss Ryanair, Tschüss Flixbus, hallo nachhaltiger Traum auf Schienen.

Nein, realistisch ist all das leider nicht. Zudem dürfte ein „Trans Europ Express 2.0“ – wie Scheuer ihn etwas boring nennt – kaum ein erschwingliches Verkehrsmittel für alle sein. Das war er übrigens auch damals nicht.

Der TEE, der zwischen 1957 und 1987 verkehrte, war ein Luxusgut für Reiche, es gab ausschließlich 1.Klasse-Abteile, die Speisewagen waren bessere Restaurants. Immerhin aber reiste auch Kanzler Helmut Schmidt damals mit dem Zug, er ließ 1974 im TEE einen Kanzlerwagen einrichten, der ziemlich schnell einer Räucherkammer geglichen haben dürfte.

Der klimabewusste Politiker und die klimabewusste Politikerin der Zukunft, sie könnten sich doch zumindest daran ein Beispiel nehmen (nicht an dem Rauch). Auch wenn der TEE 2.0 nie abfahren sollte. Jens Uthoff