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Zisch! Peng! Bumm! Aus.

Das Silvester-Feuerwerk hat in Bremen nicht nur Freunde: Im Landtag wird in dieser Woche darüber debattiert, wie das private Geballer einzuschränken ist

Dicht gehüllt in Nebel, Rauch und Rausch: Die Silvesterknallerei war nicht nur 2016 auch im gut gelüfteten Bremen nicht ganz ohne Foto: Ingo Wagner/dpa

Von Benno Schirrmeister

Ein wirklich explosiver Konflikt ist die Feuerwerksfrage nicht. „Wir wollen das zurückdrängen“, sagt Ralph Saxe (Grüne), da gebe es „einen breiten Konsens“. Aber klar ist dennoch: Auch dieses Jahr wird wieder Bürgerkrieg sein am 31. Dezember. Straßen dicht belagert, Kanonenschläge, die Luft schwarzpulververdickt, und wer nicht aufpasst, läuft Gefahr, von irgendwelchen Irren­ mit Raketen beschossen zu werden. Aaah! Ohh! Feuerwerk.

Eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe tagt seit Frühjahr zum Thema unter Federführung des Innenressorts, allerdings recht sporadisch. Sie verfolgt das Ziel, „privates Feuerwerk zu reduzieren“, heißt es in der Senatsantwort auf eine Große Anfrage der Regierungskoalition von Ende Februar. Kommende Woche ist sie Thema in der Bürgerschaft, und allmählich wird die Zeit knapp, denn „bis Ende 2020“, heißt es weiter, soll die AG „ein Konzept vorlegen, sowie eine langfristige Strategie erarbeiten“. Und Saxe macht klar, dass er erwartet, „dass da noch etwas kommt“, schließlich sei Feuerwerk schädlich und vielfach gefährlich: „Wir haben nicht vor, das Brauchtum abzuschaffen“, stellt der umweltpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion klar. „Aber wir wollen, dass es dem Rest der Menschheit möglich ist, angstfrei Silvester zu feiern.“

An die Stelle von Guerilla-Pyromanie könnte aus seiner Sicht eine zentrale Veranstaltung treten, „etwas wo die Bremer*innen sich gemeinsam zum Feiern versammeln“, mit staatlicher Raketenkunst. „Um das auszuprobieren, sind wir sicher im falschen Jahr“, sagt allerdings SPD-Umweltpolitiker Arno Gottschalk. Er würde gerne die Debatte nutzen, um „die Daten, die jetzt zusammen getragen wurden, zu bewerten“. Aus seiner Sicht belege die Senatsantwort, „dass Silvester eher der Alkohol das Problem ist“. Man habe jedenfalls „noch keine ausgehandelte Beschlussfassung zum Thema.“

Allzu große Spielräume gibt es nicht: Auf kommunaler Ebene existieren bereits Böllersperrzonen, etwa ums Rathaus, „die könnte man erweitern“, sagt Gottschalk. Verbote auf Landesebene dürfen aber nicht eine ausdrückliche Erlaubnis des Bundes konterkarieren. Und das Sprengstoffgesetz gibt nun mal am 31.12. das Knallen frei. Kohlendioxide werden­ dabei nicht in relevanter Menge freigesetzt. Und in der Feinstaub-­Frage hat die Branche­ Boden gut gemacht: Bisherige Angaben waren Schätzungen aufgrund des Gesamtgewichts der Raketen – dabei sind die zum Großteil ja aus Pappe und Klimbim.

Dagegen hat der Verband der pyrotechnischen Industrie (VPI) eine Studie anfertigen lassen, die, methodisch sauberer, nur die Netto-Explosivstoff-Masse (NEM) als Ausgangsgröße nimmt. Statt 4.200 Tonnen sind derzufolge durchs Silvesterfeuerwerk 2019 bundesweit hochgerechnet 1.477 Tonnen Feinstaub freigesetzt worden – 0,7 und nicht, wie bislang gedacht, 2,1 Prozent des jährlichen Gesamt-Ausstoßes.

Dass diese neuen Erkenntnisse nicht in die Bremer Regierungsantwort eingeflossen sind, grämt Richard Eickel, den Geschäftsführer von Comet. Die Feuerwerksfirma mit 100 Festangestellten hat ihren Sitz in Bremerhaven. „Die Zahlen waren dem Senat bekannt“, so Eickel.­ Trotzdem operiere der mit den alten Werten. Er vermutet eine Strategie zur „Dämonisierung von Feuerwerk“. Tatsächlich bestätigt ein Sprecher des Umweltbundesamtes UBA), dass „der alte Schätzwert zu hoch war“. Die VPI-Studie sei „plausibel“. Das Amt werde die neuen Daten für seine nächste Feuerwerksmeldung berücksichtigen. Unerheblich seien sie aber „für die konkreten Messungen der Luftbelastung durch Feuerwerkfeinstaub“.

„Historisch dient das Feuerwerk traditionell dazu, böse Geister zu vertreiben“

Richard Eickel, Comet-Geschäftsführer

Die könnten eine Rolle spielen bei der Auseinandersetzung im Bundesrat: Berlin versucht­ dort, den Länderbehörden „eine vollständige Untersagung von privatem Silvesterfeuerwerk“ zu ermöglichen, heißt es in dem Antrag. Bremen unterstützt die Initiative. Doch die Abstimmung darüber war vergangenen Herbst verschoben und im Februar vertagt worden – auf unbestimmte Zeit. Bremen muss sich daher eher etwas anderes einfallen lassen. Die Senatsantwort gibt auch schon einen Wink: „Grundsätzlich kann verhaltensbezogener Lärm im Immissionsschutzgesetz des Landes Bremen geregelt werden“, heißt es darin.

„Mir scheint das ein Hebel zu sein“, sagt Saxe. Tatsächlich hatte Comet diesen Punkt in seinen Verteidigungsschriften bislang eher umschifft – und reagiert ein bisschen sauer: Nachdem die meisten Argumente wackelig geworden seien „nun über das Thema Lärm ein Verbot zu erwirken, erscheint uns wie die berühmte Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, teilt Eickel mit. „Diese ist jedoch unserer Meinung nach nicht zu finden.“ Die gesamte Feuerwerksbranche in Deutschland halte sich bei Lautstärkeeffekten an die EU-weite Pyrotechnikrichtlinie, stellt Eickel auf taz-Nachfrage klar. „Unserer Ansicht nach sind diese verbindlichen Grenzwerte ausreichend.“ Und lauter als die erlaubten 120 Dezibel in acht Metern Entfernung „wollen auch wir keinesfalls“.

Allerdings: „Historisch betrachtet dient das Feuerwerk traditionell dazu, böse Geister zu vertreiben“, so Eickel. Knalleffekte sind insofern Teil des Produkts. Entsprechend wird die Feuerwerk-Linie „Leucht und Knall“ stolz damit beworben, dass ihre „mega-lauten Böller-Klassiker jeden wissen“ lassen: „Hier wird das neue Jahr knallbunt & lautstark begrüßt!“ Jeden: also auch Nachbars aufgeschrecktes Baby, das herzkranke eigene Kaninchen im Käfig und rastende Vögel auf der Wiese: „Wildtiere werden durch die feuerwerksbedingten Lärm- und Lichtreize in ihrer nächtlichen Ruhe aufgescheucht“, heißt es in der Senatsantwort. Zwar gebe es dazu in Bremen keine Studie. Aber beobachtet worden seien Vogelschwärme in der Neujahrsnacht auch an Neuer Weser und Kuhgrabensee sowie im Oberblockland.

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