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Angstfrei Rocken im Fluss

GEBURTSTAG Seit fünf Jahren liegt die MS „Treue“ an der Schlachte. In dieser Zeit hat sich das Schiff zu einem der schönsten Veranstaltungsorte Bremens entwickelt. Das wird gefeiert

„Ich habe mich nie an Genregrenzen gehalten. Alle Bands, die hier spielen, haben einen besonderen Reiz auf mich ausgeübt“

André Stuckenbrok

VON BENJAMIN MOLDENHAUER

An Deck kann man sich mit Blick auf’s Wasser Flüssiges zuführen, unter Deck findet man den Konzertsaal mitsamt rustikal eingerichteter Theke: Unter der Ägide von André Stuckenbrok ist mit der „Treue“ ein Ort entstanden, an dem sich junge Bands und Legenden die Klinke in die Hand geben – inzwischen finden pro Woche im Schnitt zwei bis drei Konzerte statt.

Zum Geburtstag spielen an zwei Abenden Jonah Matranga und Antlered Man bei freiem Eintritt. Das Jubiläumsprogramm ist repräsentativ für die Veranstaltungspolitik der „Treue“ insofern es alte Helden und Newcomer unter einen Hut bringt. Das Konzept ist so simpel wie bestechend. Gebucht wird, was gefällt: „Ich habe mich nie an Genregrenzen gehalten. Alle Bands, die hier spielen, haben einen besonderen Reiz auf mich ausgeübt“, erzählt André Stuckenbrok. Dazu gehören Anne Clark und die holländischen Avantgarde-Punks The Ex genau so wie Bernadette La Hengst, 22 Pistepirkko und ähnlich Etabliertes.

Kommerziell graduell risikoreicher sind die zahllosen Gigs der Newcomer – da sei es eben wichtig, dass man, so Stuckenbrok, „die Angst verliert“ und, trotz allgemeinem Besucherschwund und immer komplexerer Sicherheitsauflagen auch und gerade Bands bucht, bei denen man nicht automatisch mit einem gut gefüllten Saal rechnen kann. Dass es, als beispielsweise The Drift ihre satte Mischung aus Dub und Postrock zu Gehör brachten, dann doch immer wieder voll wurde, legt nahe, dass Angstfreiheit und bezahlbare Konzerttickets sich auch in Zeiten omnipräsenten Krisenempfindens auszahlen. Das schönste Konzert für den Veranstalter? „Triggerfinger aus Belgien. Ich hab nicht gewusst, dass drei Leute auf einer Bühne so einen Druck machen können.“

Zu meckern gibt es, man kann es drehen und wenden wie man will, eigentlich nichts. Der „Treue“ ist es gelungen, Independent-Ideale und ein Veranstalterethos weiter hoch zu halten, dem es darum geht, Entdeckungen eine Bühne zu geben. Was wiederum ohne ausgeprägte Vernetzung mit der lokalen Szene kaum möglich wäre. Das „Treue“-Team veranstaltet im Verbund mit dem Verein Musikszene Bremen das Überseefestival am Alten Zollamt, auf dem junge Bremer Bands eine Bühne bekommen.

Und dieses Netzwerk hilft auch, wenn es mal brennt. Dreimal wurde 2011 auf der „Treue“ eingebrochen, im August wurde die Kasse des Überseefestivals vom Schiff gestohlen, es wurden Solikonzerte und Spendenaktionen organisiert. „Die Unterstützung war sehr groß, wir waren selbst überrascht und hätten sonst nicht weitermachen können“, erinnert sich Stuckenbrok.

Der Singer/Songwriter Jonah Matranga passt da wunderbar als Geburtstagsgig. In Matrangas Künstlerbiografie spiegelt sich die Entwicklung dessen, was man früher einmal Alternative oder Independent genannt hat. In den neunziger Jahren produzierte er mit seiner Band Far vier Alben, die an den Sound von Helmet und, in den weniger gelungenen Momenten, der Deftones anschlossen: Kompakte Gitarrenwände vor mit mathematischer Präzision aufgezogenem Bass und Schlagzeug, darüber ein emotionaler Gesang, der Verzweiflung kommuniziert. Nach der Auflösung gründete Jonah Matranga gemeinsam mit Leuten von Texas Is The Reason die Band New End Original, die, jenseits der USA kaum bekannt, einen bereits ziemlich abgeklärten Entwurf dessen fabrizierte, was man damals Emo nannte – also eine Spielart von Hardcore, der nicht mehr an martialischer Härte gelegen ist und die stattdessen die eigene Sensibilität feiert. „Thriller“, das einzige Album von New End Original, bildete den „Missing Link“ zwischen Sunny Day Real Estate und Jimmy Eat World.

Wie viele Sänger aus dem Umfeld – man denke an Chuck Ragan und Frank Turner – hat sich Matranga inzwischen dem in sich gekehrten Singer/Songwritertum zugewandt. „Livin’ Small“, so etwas wie der ungehörte Hit, hat da durchaus programmatischen Charakter und erzählt von gelassenem Weitermachen nach dem großen Boom: „I don’t know if I’ve seen a million faces / I’m not sure if I’ve rocked them all / All I know is I’ve met a lot of people / Filled a lot of spaces / Learned to jump and learned to take a fall / And if that’s not living large / then I’m happy living small.“

■ Freitag und Samstag, ab 20 Uhr, „Treue“, Eintritt frei

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