: Der grüne Knebel – wie Investoreninteressen die Energiewende im Globalen Süden dominieren
Spitzenreiter in der Verstromung von Wind, Sonne und Erdwärme sind vor allem Länder des Globalen Südens. Jedoch: In den Finanzierungsverträgen dieser Infrastrukturprojekte sind Klauseln enthalten, die öffentliche Gelder zur Sicherung von Investorenprofiten zweckentfremden
Von Franziska Müller und Anne Löscher
Zwischen 2012 und 2018 ist der Markt für grüne Investmentfonds, Wertpapiere und Aktien aus dem Nichts auf 200 Milliarden US-Dollar gewachsen. Institutionen wie die Weltbank, die Kreditanstalt für Wiederaufbau oder das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen versuchen über „De-risking“-Programme, grünes Kapital in den Globalen Süden zu locken.
Um Investitionsrisiken wie Wechselkursschwankungen, mangelnde Kaufkraft oder soziale Unruhen zu kompensieren, bieten De-risking-Programme Investorenschutzabkommen und Risikobürgschaften. Hier verpflichten sich die Empfängerstaaten dazu, die Investitionen über öffentliche Garantien und Zuschüsse zu „de-risken“. De-risking, oder Risikoreduzierung, ist ein irreführender Begriff – hier wird nicht Risiko reduziert, sondern zur öffentlichen Hand verschoben.
Zu den Staaten, in denen De-risking-Programme den Zugang zum Energiemarkt sichern, gehören Sambia und Uganda. Hier expandieren erneuerbare Energien auf Kosten politischer Entscheidungsspielräume und lokaler Unternehmen. Bei sambischen Energieauktionen konnten sich nur Unternehmen mit einem Jahresumsatz über 25 Millionen US-Dollar bewerben, folglich nur ausländische Firmen. Auf der Strecke bleiben Energiepolitiken, die auf Technologietransfer, grüne Arbeitsplätze oder Ausbildungsprogramme setzen.
Andere Beispiele für De-risking-Klauseln sind Mindesteinspeisevergütungen oder die Verpflichtung, Fonds zur Wechselkursstabilisierung zu halten. Um die Zahlung von anfallenden Kosten der Regierungen an Investoren sicherzustellen, werden bei Vertragsabschluss Fonds bei externen Vermögensverwaltern angelegt oder Steuereinkommen verpfändet. Das heißt, dass das ohnehin karge Staatsbudget reduziert wird und nicht mehr beispielsweise für öffentlich finanzierte grüne Investitions- und Sozialleistungen zur Verfügung steht. Oder in anderen Worten: Risiko bleibt öffentlich, Profit privat.
Regierungen lassen sich dennoch auf De-risking ein, weil in internationalen Handels- und Schuldverträgen nur „harte“ Währungen wie US-Dollar, Euro und Co akzeptiert werden. Um dennoch etwa grüne Infrastrukturprojekte bezahlen zu können, sind Länder des Globalen Südens seit den 1990er Jahren zunehmend auf Finanzmärkte angewiesen. Erlöse aus Rohstoffen – wegen kolonialer Kontinuitäten Hauptexporte des Globalen Südens – reichen angesichts hoher Preisschwankungen und langfristig fallender Preise nicht aus. Doch die marktbasierte Finanzierung schafft neue Abhängigkeiten: Sie erfordert ein permanentes Bekenntnis zur Liberalisierungsagenda, Zahlungsbereitschaft und ein offenes Ohr gegenüber Investoreninteressen. Dies zementiert globale Ungleichheit.
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