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Jörn Kabisch AngezapftWilde Hefen schmecken funky

Foto: privat

Der Name ist Programm. „Nevel“ wie Nebel, so heißt die Brauerei aus Nijmegen in den Niederlanden. Der Nebel steckt sichtbar in ihren Bieren, sie sind alle trüb. Zugleich soll der Name auf eine Geschmackskomponente hinweisen, die typisch ist, wenn Brauer mit wilden Hefen arbeiten, und die eben auch etwas Diffuses an sich hat. Irgendwie ledrig, schwefelig oder sogar an Stall erinnernd, manche sagen auch einfach: funky.

Das stand dahinter, als Mattias Terpstra und Vincent Gerritsen Ende 2016 entschieden, für ihre Bierphilosophie den Namen ihrer Brauerei zu ändern. Bis dahin hatten sie ihre Biere unter dem Label „Katjelam“ vertrieben. Heißt „Katzelamm“ und meint auf Deutsch dasselbe wie „hackedicht“.

Nevel ist die bekannteste, vielleicht sogar die einzige Brauerei in den Niederlanden, die mit wilden Hefen arbeitet. Die kann man mit dem Sauerteig vergleichen, der beim Backen anstelle von Hefe zum Einsatz kommt. Der Sauerteig ist ein Biotop an ganz unterschiedlichen Mikroorganismen, Hefe dagegen ist eine Monokultur aus einem einzigen Pilz. Die wilden Hefen bewirken, dass das Bier komplex wird und sein Geschmack mit dem von konventionellem Bier eigentlich nicht mehr vergleichbar ist. Außerdem reift Nevel in der Flasche und wird dabei immer trockener.

Vorbild für Nevel ist dabei das alte Verfahren des Hausbrauens, einst ein ganz selbstverständlicher Teil der Arbeit auf dem Bauernhof. Es wurde gemälzt, was auf den Äckern an Getreide stand. Und was am Rand an Obst und Kräutern wuchs, wurde gleich mitvergoren. Auch die Macher von Nevel setzen ganz auf Regionalität und lassen ihr Malz in einer kleinen Tennenmälzerei in der Nähe herstellen. Daneben ist die Natur der Region um Nijmegen Inspiration: Brombeeren vom Wegrand, Kirschen aus einem alten Obstgarten oder Blüten auf dem Gelände der Brauerei. In den Niederlanden darf das alles selbstverständlich ins Fass.

Nevel braut vor allem zugängliche, junge, leicht gehopfte Biere. Immer häufiger lassen die Niederländer ihr Bier aber auch länger im Fass reifen. Das Einder ist so eine Sorte, es lag über zwölf Monate im Eichenfass, es wurden Mirabellen mit vergoren, die auf einer Streuobstwiese im Spätsommer gesammelt wurden.

Einder, Nevel brouwerij, 5,7 Vol.-%

Ich stelle mir vor, wie ich nach so einer Aktion auf dieser Wiese liege, es riecht nach Kräutern, trockenem Gras, den süßen gelben Früchten oben im Baum und denen, die aufgeplatzt um mich herumliegen. Das beschreibt den Geschmack des Einder ziemlich exakt. Dabei ist es schlank, leicht gärig-säuerlich und hat eine angenehme Funkyness. Jetzt im September ist die beste Trinkzeit.

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