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Stadt als Chance

Die Ausstellung „urbainable“ in der Akademie der Künste rehabilitiert die Stadt als Labor für eine nachhaltige Entwicklung mit Vorschlägen von Akademiemitgliedern

Fuchs vor der Haustür Foto: Erik-Jan Ouwerkerk

Von Tom Mustroph

Stadt ist nicht übel, Leute. Was vor Jahrzehnten bereits die Dorfjugendlichen erkannt haben, die zur Disko in die nächstgrößere Stadt fuhren, und erst recht jene, die nach beendeter Schule in die Großstadt oder gar nach Berlin zogen, ist als Erkenntnis endlich auch bei der Sektion Architektur der Akademie der Künste angekommen. Die von dieser Sektion organisierte Ausstellung „urbainable & stadthaltig“ singt jedenfalls das Hohelied auf den urbanen Zusammenhang.

Vor allem der erste Teil, eine Rauminstallation aus Fotos des Berliner Stadtfotografen Erik-Jan Ouwerkerk und Erkenntnissen des Instituts für Entwerfen und Städtebau der Uni Hannover, blickt mit überraschend positiver Haltung auf die Stadt. Sie wird ökologisch gelobt, weil etwa die Flächenversiegelung pro Kopf, aber auch der CO2-Ausstoß geringer ausfallen als bei ruraleren Siedlungsformen. Auch die notwendige In­frastruktur wie Strom- und Wasserleitungen sowie Verkehrswege falle geringer aus als pro Kopf auf dem Lande, haben die Mitarbeiter*innen und Studierenden des Instituts unter der Leitung von Ausstellungs-Ko-Kurator Tim Rieniets herausgefunden. Mehr und dichtere soziale Kontakte gibt es sowieso.

Und die Chancen, die vom Großlabor Stadt ausgehen, seien ebenso wenig zu verachten. Städtebau mit mehr Holz als Beton würde zu einer besseren CO2-Bilanz führen, Carsharing die Wege pro Kopf mit dem Auto weiter verringern. All das Klagen über die städtische Agglomeration als ganz schlimmes Umweltmonster lösen sich also anhand des aufbereiteten Datenmaterials ziemlich flott auf.

Die an die Wand geklebten Thesen sind mit Fotos von Ouwerkerk meist sehr harmonisch verbunden. Nur in einzelnen Fällen wirkt die Auswahl unglücklich. Die Erkenntnis, dass das Leben in Städten auch zur besseren Akzeptanz des Fremden führe, wird ausgerechnet mit einem Foto einer Dönerbude illustriert. Für wen bloß ist ein Dönerstand Sinnbild des Fremden? Aus welcher Perspektive wird hier das Fremde konstruiert? Und ist, zumindest im gentrifizierten Berlin, mittlerweile nicht die alte Proletenstampe der Fremdkörper in der städtischen Textur, mit der sich so mancher zu frischem Geld Gekommene nicht so recht abfinden kann?

Vorschläge für die Zukunft

Matthias Sauerbruch wirbt für den Einsatz von Holz als Baumaterial

In den drei folgenden Ausstellungshallen erhalten 33 Mitglieder der Akademie Gelegenheit, eigene Projekte vorzustellen, an denen sich Grundzüge einer Stadt der Zukunft ablesen lassen. Manche Akademiemitglieder machen es sich da ziemlich einfach und stellen lediglich eigene Baukörper vor.

Der Münchner Architekt Fritz Auer stellt in seiner Ausstellungsbox immerhin viele wichtige Fragen zum Thema: Was sollte heutzutage ein modernes Bahnhofsgebäude auszeichnen? Er unterlässt es aber, anhand seines eigenen Münchner Hauptbahnhof-Projekts konkrete Antworten zu geben.

Konstruktiver ist da schon das Büro des grandiosen Tragwerksbauers Jörg Schlaich. Es präsentiert verschiedene Typen von Solarkraftwerken. Diverse Büros wenden sich auch der Lösung von Einzelfragen zu. Annette Gigon stellt Materialien für Null-Emissionshäuser vor. Matthias Sauerbruch, zugleich Kurator der Ausstellung, wirbt für den Einsatz von Holz als Baumaterial. Der Frankfurter Architekt Klaus Bollinger setzt auf Skelettkonstruktionen für Häuser, die sehr langlebig sind, von ihrer Struktur her aber auch viele Modifikationen erlauben.

Eindrucksvoll ist das Arsenal an Schwellenlösungen, das Hilde Leon präsentiert. Schwellen markieren den Übergang von Innen und Außen, von öffentlich und privat. Und dieser Übergang muss nicht immer eine Grenze, eine Wand, eine Barriere sein, sondern kann eben auch selbst zur gestalteten und gestaltenden Zone werden.

Sehr sinnlich ist Thomas Auers Ansatz, die Folgen der Klimaerwärmung mit Heizstrahlern zu illustrieren: Er bringt seine Ausstellungsbox auf mediterrane Temperaturen.

Niederbaumbrücke in Hamburg Foto: Erik-JanOuwerkerk

Der diskursiv dichteste Beitrag stammt vom Büro von Kees Christiaanse in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich. Sie untersuchten Großprojekte in zahlreichen asiatischen und europäischen Metropolen und stellten eine Verschiebung der Prioritäten fest. Orientierte sich die traditionelle europäische Stadt noch am Wahrnehmungsmuster des Menschen, was Gebäudegrößen, Straßenverläufe und Dimensionen von Plätzen anbelangt, so war die Stadt des 20. Jahrhunderts auf den Autoverkehr konzentriert. Die Großprojekte des jungen 21. Jahrhunderts spiegeln – neben den Eitelkeiten mancher Stadtväter – vor allem die Vorgaben der Finanziers, also des globalen Finanzkapitals, wider.

In einem lesenswerten Interview im Begleitband der Studie „Grand Projets“ konstatiert der Urbanist Peter Bishop denn auch die latente Überforderung von Stadtverwaltungen, angesichts des Drucks der Investoren überhaupt die Interessen der Stadtbevölkerung zu erkennen, geschweige denn, sie bei den Projekten auch durchzusetzen. „Grand Projets“ sollte Pflichtlektüre der Berliner Bauverwaltung werden.

Den wohl originellsten Vorschlag zur Umorientierung von Architektur liefert der britische Architekt Ian Ritchie. Auch er meint, dass Gebäudeformen und -strukturen sich wieder mehr am Menschen orientieren sollten und weniger am finanziell oder technologisch Möglichen. Daher solle man urbane Umgebungen an die kognitiven Muster des Menschen anpassen. Architekten und Städteplaner müssten also enger mit Vertretern der Neurowissenschaften zusammenarbeiten.

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