Containern bleibt strafbar

Das Bundesverfassungsgericht hat keine Einwände gegen die strafrechtliche Verfolgung von Lebensmittel-Rettern. Die Strafurteile gegen zwei bayerische Studentinnen seien nicht willkürlich

„Wir wollen nicht, dass sich Menschen in eine solche menschenunwürdige Situation begeben“

Sebastian Gemkow, Justizminister von Sachsen

Aus Karlsruhe Christian Rath

Wer Lebensmittel aus dem Abfallcontainer eines Supermarkts holt, kann auch künftig wegen Diebstahls bestraft werden. Das hat jetzt das Bundesverfassungsgericht ­entschieden und die Klage von zwei bayerischen Studentinnen abgelehnt.

Franziska Schmitt und Caroline Kuhn waren 2018 von der Polizei auf dem Gelände eines Edeka-Marktes in Olching (bei München) erwischt worden. Sie waren gerade dabei, aus dem Abfallcontainer Joghurts, Obst und Schokolade zu holen. Den verschlossenen Behälter hatten sie mit einem Vierkantschlüssel geöffnet.

Das Amtsgericht Fürstenfeldbruck sprach dafür eine Verwarnung aus. Geldstrafen in Höhe von je 225 Euro (15 Tagessätze) wurden zur Bewährung ausgesetzt. Als Auflage mussten die beiden acht Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. In der Revision bestätigte das Bayerische Oberste Landesgericht das Urteil.

Die beiden Studentinnen sehen das Containern als politische Aktion gegen Lebensmittelverschwendung. Wenn in Deutschland die Hälfte der Lebensmittel weggeworfen werde, führe dies zu einer unnötigen Belastung des Klimas. Mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) erhoben sie Verfassungsbeschwerde. Das Retten weggeworfener Nahrung sei nicht sozialschädlich. Die Strafgesetze müssten im Sinne des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen (Artikel 20a Grundgesetz) ausgelegt werden.

Eine Kammer mit drei VerfassungsrichterInnen lehnte nun jedoch die Klage ab. Der Gesetzgeber könne auch wertloses Eigentum strafrechtlich gegen Diebstahl schützen, zum Beispiel Lebensmittel jenseits des Haltbarkeitsdatums. Das Interesse der Supermärkte, unverkäufliche und möglicherweise verdorbene Lebensmittel zu vernichten, um Haftungsrisiken zu vermeiden, sei zu akzeptieren, so die Richter.

Die Grundentscheidung, ob Containern strafbar sein soll, müsse der Gesetzgeber treffen, betonten die Verfassungsrichter. Bisher habe der Bundestag Initiativen zur Entkriminalisierung des Containerns ausdrücklich abgelehnt. Eine andere Entscheidung sei, auch mit Blick auf den Schutz der natürlichen Ressourcen, aber durchaus möglich.

Ob der Supermarkt noch Eigentümer der ausgesonderten Lebensmittel ist oder ob diese „herrenlos“ sind, müssten die Strafgerichte im Einzelfall entscheiden. Im Olchinger Fall, so die VerfassungsrichterInnen, habe der Container auf dem Fir­mengelände von Edeka gestanden (also nicht im öffentlichen Raum) und sei abgeschlossen gewesen. Dies spreche gegen eine Besitzaufgabe. Die bayerischen Strafurteile seien nicht willkürlich, sondern beruhten auf „sachgemäßen und nachvollziehbaren Erwägungen“, so Karlsruhe.

Die Strafgerichte könnten die geringe Schuld und die moralische Intention der Aktivisten bei der Strafzumessung berücksichtigen, betonten die VerfassungsrichterInnen. Auch eine Einstellung des Verfahrens sei möglich. Die beiden Studentinnen hatten eine Einstellung abgelehnt, weil sie einen Freispruch mit Signalwirkung erreichen wollten.

„Der Ball liegt jetzt beim Deutschen Bundestag“, sagte der Abgeordnete Niema Movassat (Linke). Im Bundestag haben Linke und Grüne bisher erfolglos beantragt, das Containern zu entkriminalisieren.

Auch die Konferenz der Justizminister hatte sich 2019 gegen eine Legalisierung des Containerns ausgesprochen und einen entsprechenden Antrag von Till Steffen, dem damaligen grünen Justizsenator von Hamburg, abgelehnt. „Wir wollen nicht, dass sich Menschen in eine solche menschenunwürdige und hygienisch problematische Situation begeben“, sagte damals Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU).

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