berlin viral
: Überall gehen Dinge durcheinander

Seit Beginn der Coronapandemie geht viel durcheinander. Homeoffice und Homeschooling mischen sich mit dem Alltag zu Hause. Dinge, die man früher spontan tun konnte, muss man vorbuchen, wie Schwimmbad- oder Kinobesuche. Dinge, die man früher vorbuchte, finden nicht mehr statt, wie Theater. Oder Urlaub. Oft sind mir in den letzten Monaten Wochentage und Termine durcheinandergeraten. Erst dachte ich, das läge an mir, am fortgeschrittenen Alter oder so. Man merkt ja bei verringerten Sozialkontakten nicht so schnell, ob es anderen ähnlich geht. Aber je länger die Pandemie anhält, desto mehr fällt mir auf: Ich bin nicht alleine Überall gehen Dinge durcheinander.

Ein paar Beispiele: Im letzten Dezember wechselte unser langjähriger Postzusteller den Bezirk. Woanders hätte er die Möglichkeit einer Vollzeitstelle, erklärte er zum Abschied. Jetzt ist die Postzustellung vor allem: Glücksache. Wir merken das an den abonnierten Wochenzeitungen. Früher kamen die donnerstags. Wenn es gut läuft, haben wir sie jetzt am Freitag. Nachmittags. Oft kommen sie erst in der Woche drauf. Oder gar nicht.

Letzte Woche Freitag, morgens um kurz nach acht, stießen wir im Hausflur auf einen Briefzusteller in Sonnentop und Shorts, den wir noch nie zuvor gesehen hatten. Er brachte die Zeitungen. Und klärte uns gleich auf: Die zuständige Zustellerin sei schon seit Wochen krank, Aushilfen würden jetzt die aufgelaufene Post verteilen. An dem Morgen schwirrte eine ganze Armada von Menschen auf gelben Postfahrrädern durch unsere Straße.

Am Samstagmorgen, kurz nach halb sieben, wachte ich von heftigem Lärm auf. Es war ein Fahrzeug der Berliner Stadtreinigung, das mit laufendem Motor vor unserem Schlafzimmerfenster stand. Die Männer rumpelten mit den Tonnen, brüllten sich Anweisungen zu, an Schlaf war nicht zu denken. Als ich eine Stunde später die Tageszeitung aus dem Briefkasten holte, stellte ich fest, dass die Türen zur Straße und zum Hof sperrangelweit offen standen. Die Wertstofftonne aus dem Hof war verschwunden. Am Sonntag stellten die ersten Nachbarn einen großen Sack mit Plastikmüll auf die Stelle, wo früher immer die Mülltonne gestanden hatte.

Am Montag traf ich im Hof auf einen konsternierten Müllmann. Er wollte die Wertstofftonne zur Leerung holen, fand aber keine vor. „Abgeholt am Samstag“, erklärte mein Mann. Man versprach, sich um Ersatz zu kümmern. Am Montagabend stand der nächste Sack mit Plastikmüll draußen. Eine neue Tonne war nicht gekommen. Die Postzustellerfrequenz auf der Straße wurde höher.

Am Donnerstag wurde morgens eine neue Tonne geliefert. Bis vor die Haustür. Post gab es dafür an diesem Tag leider keine. Gaby Coldewey