berliner szenen: So schön ist es da echt nicht
Im DB-Reisebüro am Bahnhof Spandau sind beide Schalter besetzt. Auch in Anbetracht der immer länger werdenden Schlange haben die Mitarbeiterinnen keine Eile. Beide scherzen in aller Ruhe mit ihren älteren Kundinnen. Die zwei Männer vor mir werden zusehends unruhiger: Der eine zückt im Minutentakt sein Handy und steckt es wieder weg, der andere stöhnt immer genervter, bis er schließlich ruft: „Wer hat denn die Zeit, hier Stunden zu stehen?“ und kopfschüttelnd geht. Auch ich überlege, an das Selbstbuchungsterminal zu gehen, verwerfe den Gedanken aber wieder: Meiner Erfahrung nach bekommen die Sachbearbeiter*innen an ihren Computern bessere Deals angezeigt. Nach einer halben Stunde kommt der Mann vor mir dran und sagt: „Einmal fix den nächsten Zug nach Braunschweig!“
Die Frau hinter dem Schalter bewegt langsam die Maus: „Der nächste ICE geht um 12 und ist um 13 Uhr 10 dort.“ Der Mann nickt. Sie fragt: „Einfache Fahrt?“ Er scharrt ungeduldig mit den Füßen: „Nein, sofort wieder zurück.“ Die DB-Mitarbeiterin sieht ihn groß an: „Sofort? Was meinen Sie mit sofort? Wie lange gedenken Sie denn in Braunschweig zu bleiben?“ Er runzelt die Stirn: „20 Minuten.“
Man sieht der Frau an, dass sie gern erfahren würde, was er bei seinem 20-minütigen Aufenthalt in Braunschweig machen möchte. Auch meine Neugierde ist geweckt. Er hat kein Gepäck bei sich. Möchte er ein wichtiges Papier persönlich übergeben, weil er der Post nicht traut? Oder ein Haustier entgegennehmen? Was kann man in 20 Minuten in Braunschweig machen?
Zu meiner Enttäuschung verkneift sich die Sachbearbeiterin die Frage und meint: „Sicherheitshalber eine Rückfahrt um 14 Uhr?“ Er nickt wieder und meint: „Aber bitte nicht später. So schön ist Braunschweig echt nicht.“
Eva-Lena Lörzer
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