Hilfe für Notleidende in Syrien auf der Kippe

Nach der Blockade von Russland und China im UN-Sicherheitsrat droht der UN-Hilfe für Millionen in Syrien das Aus. Bis Freitag muss eine Lösung her

Von Jannis Hagmann

Die Uhr tickt. Noch bis Freitag hat der UN-Sicherheitsrat Zeit, um eine Lösung zu finden, wie Millionen notleidenden Menschen in Syrien geholfen werden kann – und zwar jenen, die nicht in den vom Assad-Regime kontrollierten Gebieten leben. Sie befinden sich vor allem in der Provinz Idlib im Nordwesten des Landes. Am Mittwoch scheiterte eine Resolution im Sicherheitsrat, mit der sichergestellt werden sollte, dass UN-Hilfsleistungen weiter über zwei syrisch-türkische Grenzübergänge direkt in das Oppositionsgebiet geliefert werden können, statt den Umweg über Syriens Hauptstadt Damaskus zu nehmen. Deutschland und Belgien hatten den Resolutionsentwurf eingebracht, doch Russland und China legten ihr Veto ein.

Nun warnen Hilfsorganisationen vor verheerenden Folgen. Sollten die beiden noch offenen Grenzübergänge Bab al-Hawa und Bab al-Salama geschlossen werden, würde es „zwangsläufig zu großen Versorgungsengpässen kommen“, sagt der Programmkoordinator der Welthungerhilfe für die Region, Konstantin Witschel. In Idlib und Umgebung leben rund drei Millionen Menschen.

Schon seit Jahren bekommen die Menschen in den Oppositionsgebieten von den UN eine sogenannte „Cross-Border“-Hilfe, also „grenzüberschreitende“ Unterstützung. Dabei werden Hilfsgüter über die Landesgrenze direkt ins Oppositionsgebiet geliefert. Das ist wichtig, um eine Politisierung der Hilfe durch das Assad-Regime zu vermeiden. Eine seit 2014 bestehende Resolution des UN-Sicherheitsrats erlaubt diese Umgehung der syrischen Regierung. Ursprünglich konnten die Konvois vier Grenzübergänge nutzen. Doch auf Betreiben Russlands wurden zwei der Übergänge – jeweils einer an der Grenze mit Jordanien und mit dem Irak – Anfang des Jahres geschlossen.

Gepoker ist reine Machtpolitik

Der ursprüngliche Resolutionsentwurf von Deutschland und Belgien sah deshalb auch die Wiedereröffnung des Übergangs an der syrischen-irakischen Grenze vor. Offenbar um einen Kompromiss mit Russland zu finden, wurde diese Bestimmung kurzfristig gestrichen. Übrig blieben die beiden Übergange an Syriens Grenze mit der Türkei. Doch Moskau will nur Bab al-Hawa offen lassen.

Hinter dem Gepoker steht reine Machtpolitik, denn die Alternative zur „Cross-Border“-Hilfe ist die sogenannte „Cross-Line“-Hilfe, also jene aus den Regime- in die Oppositionsgebiete. Die wäre der syrischen Regierung und ihrem Verbündeten Russland lieber, denn damit hätten sie einen mächtigen Hebel in der Hand. Im Zweifelsfall könnte die Bevölkerung im Oppositionsgebiet ausgehungert werden. Neben Idlib geht es auch um die derzeit autonomen Kurdengebiete im Nordosten. Deren Verhandlungsposition in künftigen Statusgesprächen wird mit zunehmender Abhängigkeit von Damaskus immer schlechter.

„Der grenzüberschreitende Hilfsmechanismus ist der beste Weg, um Millionen von bedürftigen Syrern Hilfe zukommen zu lassen“, teilte Rayan Koteiche von der Hilfsorganisation Physicians for Human Rights am Mittwoch mit, „Ohne ihn werden Zivilisten, die auf lebensrettende Hilfe angewiesen sind, der syrischen Regierung ausgeliefert sein.“ In Deutschland kritisierte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jürgen Hardt, Russland und China scharf. Ihre Blockade bezeichnete er als „Verbrechen gegen die Humanität“. Russland müsse „endlich seine schützende Hand vom syrischen Diktator Assad nehmen“, forderte Hardt. „Russlands Präsident Putin und Chinas Präsident Xi tragen persönlich Verantwortung für das Leid der Menschen in Syrien.“

Ein Kompromiss wäre nun, nur einen Grenzübergang für UN-Hilfe offen zu lassen. Sollte bis Freitag aber keine Einigung erzielt werden, würde die Frist für eine Verlängerung der Hilfsregelung verstreichen.