So viel Kritik muss sein: Jan-Paul Koopmann über den 43. Bremer Förderpreis für Bildende Kunst
: Ein preisgekrönter Wasserschaden

Zufälliger Regen zwischen Kunst und draußen Foto: Franziska von den Driesch

Natürlich ist es eine Plattitüde, dass Kunst am fruchtbarsten dort ist, wo sie rücksichtslos den eigenen Laden ins Visier nimmt. Aber es stimmt – ganz besonders, wenn es um Kunstpreise geht. Und sogar noch besser wird’s, wenn der Überfall so heimlich vonstattengeht, dass man ihn erst mal gar nicht bemerkt. Etwas frech könnte man sagen: Effrosyni Kontogeorgou hat den 43. Förderpreis für Bildende Kunst dafür bekommen, die Städtische Galerie unter Wasser zu setzen. Aber ganz so einfach ist es dann auch wieder nicht.

„Höhere Gewalt oder wie der Flügelschlag eines Rohrsängers einen Platzregen auslöst“ heißt Kontogeorgous am Mittwoch mit 6.000 und einer Katalogförderung über weitere 3.000 Euro ausgezeichnete Arbeit. Es ist eine Installation auf der Schwelle der Städtischen Galerie – am Hintereingang in Richtung Kleiner Weser. In zufällig scheinenden Intervallen geht dort ein künstlicher Platzregen hernieder, aus Schläuchen an der Decke, und schwallweise rein ins Haus, wo das Publikum in einer stetig wachsende Pfütze herumstakt. Das ist ein Wagnis, auch für ein eher lockeres Haus wie die Städtische Galerie, weil Malerei und Feuchtigkeit sich auch hier nicht gut vertragen – aber auch, weil es sich bei dieser Hintertür um einen Notausgang handelt, weshalb auch die Feuerwehr nicht nur ein Wort mitzureden hat.

Nach Provokation fühlt sich die Arbeit aber trotz der Zumutung nicht an. Man hört es plätschern und beobachtet mit sanfter Irritation, wie ruhig die Kleine Weser gleich hinter dem Gepladder steht. Um solche Grenzen geht es auf diversen Ebenen: zwischen drinnen und draußen, Kunst und Natur – zwischen planmäßig-technischem Aufbau und zufälligen Ereignissen. Ursprünglich sollte der Regen durch das Publikum ausgelöst werden, erzählt Kontogeorgou, aber bald sei ihr klar geworden: „Der Faktor Mensch muss hier raus.“ Stattdessen haben die Flügelschläge eines am Haus nistenden Rohrsängers den Kunstregen gestartet. Nur ist der pünktlich zur Eröffnung ausgeflogen. Jetzt regnet es nach einem Skript, das den protokollierten Flugzeiten des Vogels folgt. Wichtig ist aber: Wie beim echten Platzregen sieht man nicht, wann es wieder losgeht.

Installativ arbeiten auch andere der zwölf jungen Nominierten in der diesjährigen Schau, und was wirklich erstaunlich ist: Es ist kein einziges Video zu sehen und nur eine Fotoserie, die dazu noch ausschaut, als wär’s monochrome Malerei. Das sind Pia Pollmanns Bilder der grünen Donau, die eine tief ruhige Studie der trügerischen Flächigkeit einer Naturgewalt darstellen und dazu eine bemerkenswerte Fortsetzung im echten Grün hinterm geöffneten Hinterausgang nebenan finden.

Überhaupt ist das kuratorische Konzept ausgesprochen dicht geraten. Amina Brotz hat Museumshocker und Filz-Pantoffeln in der Galerie verteilt, wie man sie sonst von der Schlossführung über historisch-empfindliche Holzböden kennt. Neben Kontogeorgous Pfütze wirken sie wie am Pool abgestellte Badeschlappen, um an anderer Stelle wieder ganz neue Bezüge zu stiften: zwischen außerordentlich vielfältigen Arbeiten eines starken Förderpreis-Jahrgangs.

Ausstellung vom 12. Juli bis 13. September, Städtische Galerie