: Eine gewisse Beklemmung
Wo der Kalte Krieg begann: Eine Ausstellung zur „Potsdamer Konferenz 1945“ wird am historischen Ort,im Schloss Cecilienhof in Potsdam, gezeigt. Von hier kam auch der Befehl zum Einsatz der Atombombe
Von Ronald Berg
Es ist eine gewisse Ironie der Geschichte, dass ein so anachronistisches Bauwerk wie der letzte Schlossbau des letzten deutschen Kaisers Schauplatz einer Zeitenwende wurde. Allerdings nicht 1917, als Wilhelm II. Schloss Cecilienhof einweihte, sondern 28 Jahre später, als in den Gemäuern – kaum war das hier noch wohnhafte Kronprinzenpaar der Hohenzollern vor die Tür gesetzt – eine Konferenz von welthistorischer Bedeutung stattfinden sollte.
Im Juli 1945 zogen die „Großen drei“, Churchill (später Attlee), Truman und Stalin, in Schloss Cecilienhof ein, um nach dem Sieg der Alliierten über Nazi-Deutschland eine Nachkriegsordnung festzulegen. Bei den Deutschen – um deren Schicksal es hier maßgeblich ging, die aber nicht dabei sein durften – bürgerte sich dafür der Name „Potsdamer Konferenz“ ein.
Cecilienhof liegt sehr malerisch am Nordrand des Neuen Gartens direkt an den Gestaden der Havel in Potsdam. Bei den Teilnehmern hieß die Tagung aber „Berliner Konferenz“, nur dass in dem Trümmerhaufen namens Berlin im Sommer 1945 kein geeigneter Tagungsort gefunden werden konnte. Deshalb also Potsdam.
Das Schloss wurde für die Konferenz teilweise neu möbliert. So stammt der große runde Tisch in der Wohnhalle, die als Tagungstraum diente, aus Moskau. Diese Halle hatte für jede Delegation separate Zugangstüren. Im Schloss selber verteilten sich die Delegationen der Briten, Amerikaner und Sowjets auf verschiedene Flügel innerhalb der Schlossanlage.
Man kann das jetzt beim Besuch der Sonderausstellung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten zur „Potsdamer Konferenz“ gut nachvollziehen. Denn im Schloss sieht es noch ungefähr so aus wie 1945, nur die 133 Ausstellungsexponate in extra entworfenen Vitrinen und die dreisprachigen Ausstellungstafeln sind neu in die Räume hinzugekommen. Der Großteil der Sonderschau findet ohnehin im ehemaligen Küchentrakt des Schlosses statt. Mit Schreibmaschine und Telefon von damals oder mit einem Stalinbild aus der Zeit des Personenkults wird versucht, die Zeit und ihre Atmosphäre von 1945 wieder lebendig zu machen. Dazu gibt es auch einen neu entwickelten Audioguide als Zugeständnis an den Zeitgeist von heute.
Schloss Cecilienhof als authentischer Ort ist so etwas wie das größte Ausstellungsstück dieser Sonderausstellung zum 75. Jahrestag zur „Neuordnung der Welt“, wie die Konferenz im Untertitel heißt. Die merkwürdige Mischung aus überkommener Gemütlichkeit und Repräsentationsgebaren in dieser von Paul Schultze-Naumburg entworfenen Architektur trägt zu einer gewissen Beklemmung bei, die die vorgestellten Inhalte zu den Ergebnissen der Konferenz ohnehin erzeugen.
Trotz des weiteren Leids, was sich hier durch die beschlossenen Vertreibungen und neue Grenzziehungen erst noch ereignen sollte, bemühen sich die „Großen drei“, vor den Pressefotografen zu lächeln. Das Plakat zur Ausstellung zeigt Churchill, Truman und Stalin in Korbsesseln auf der Terrasse von Schloss Cecilienhof während einer Konferenzpause. Ihre gute Miene zum bösen Spiel bleibt ambivalent, bedenkt man die Folgen ihrer Beschlüsse: Teilung Deutschlands, Westverschiebung Polens, Annexion des Baltikums durch die Sowjetunion, Installation von sowjethörigen Vasallenregimes in Osteuropa und Beginn des Kalten Kriegs zwischen West und Ost, kapitalistischer und kommunistischer Welt.
Das Ausstellungsplakat macht das sich anbahnende Unheil sichtbar, indem es einen einmontierten, dräuend in den Himmel steigenden Atompilz hinter den Staatsmännern zeigt. Der Befehl zum Einsatz der Atombombe kam aus Potsdam. US-Präsident Harry S. Truman gab ihn ungefähr eine Woche vor dem Datum des Abwurfs der Bombe auf Hiroshima am 6. August 1945.
Auch die Ereignisse in Japan, wie die anderen von der Konferenz berührten Themen – etwa was die Entwicklung in Palästina angeht – kommen in der Ausstellung in den Blick. Es zeigt sich, dass die Weichenstellungen von Potsdam in vielem bis heute virulent geblieben sind und immer noch aktuelle politischen Konflikte grundieren.
Ob in Nahost, ob im Verhältnis zu Russland oder was die Stellung Chinas angeht. Auch China ist ein eigenes Kapitel in der Ausstellung und dem zugehörigen Begleitbuch gewidmet.
Nach dem Krieg war vor dem Krieg, das war die Lage während der Konferenz in Potsdam. Und dieser Krieg ist vielerorts durchaus nicht nur ein „kalter“ geblieben. Viele der angeschnittenen Themen der Ausstellung haben immer noch das Zeug zu emotionalisieren. Um Parteilichkeit zu vermeiden, haben die Ausstellungsmacher der Stiftung Schlösser und Gärten daher versucht, das allgemein Menschliche als roten Faden zu verwenden. Es werden Einzelschicksale erzählt – von Flüchtlingen, Vertriebenen, Exilierten, Opfern – hier wie dort.
So zeigt die Ausstellung gegen Ende ihres Parcours auf einer Fotografie GIs im Kriegseinsatz in Korea. Wieder einmal sind Zivilisten betroffen. Und es sieht bereits genauso aus, als wären die Amerikaner in Vietnam unterwegs. Die US-Stahlhelme der GIs sind jedenfalls seit Weltkriegszeiten die gleichen geblieben und wurden bis Vietnam weiterbenutzt.
„Potsdamer Konferenz 1945“. Schloss Cecilienhof, Potsdam Neuer Garten, bis 31. Dezember 2020. Begleitender Aufsatzband im Sandstein Verlag, 264 Seiten, 24,90 Euro (im Buchhandel 34 Euro)
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