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Provokante SchuhmodeDas C-Wort – ein Bekenntnis

Crocs sind hässlich, Crocs sind bunt, Crocs sind camp. Die schuhgewordene Modeverweigerung ist allen anderen Fußbekleidungen meilenweit überlegen.

Gehen überall: Crocs auf der London Fashion Week Foto: Valentina Ranieri/Runway Manhattan/imago

J edes Mal, wenn meine Freund:innen mit ihren Ex-Lovern zusammenkommen und mir erzählen, dass Menschen sich ja ändern können, lache ich laut auf und benenne ihren Clowns-Move als solchen. Doch als ich mir an die eigene Nase fasste, hielt ich plötzlich eine mit Gummiband aufgespannte rote Kugel zwischen den Fingern. Wenn Menschen sich wirklich nicht ändern können, wie kann es dann sein, dass ich, die vor vielen Jahren Crocs als Beleidigung und nicht als Schuhwerk betrachtet hat, seit einem Jahr selber welche trage – und zwar nicht im Haus oder Garten?

Mit Crocs ins Theater, auf Dates, zu Foto­shootings oder in den Club: Ich mach’s einfach. Wer ohnehin als hässlich gilt, muss sich keine Gedanken mehr über Fashion Crimes machen. Erst recht nicht, wenn man queer ist und an den Fashion-Gesetzen mitschreibt.

Die Tante eines Freundes bezeichnet die gelöcherten, Clog-förmigen Plastiktreter als „Shrek-­Schuhe“, und ja, die Bezeichnung passt. Shrek ist ein riesiges, dickes Monster – ein Oger. Shrek übersieht man nicht, er macht es sich bequem – and that bitch isn’t going anywhere! Manche mögen Crocs eher mit einer Claudia oder einem Detlef oder dem kleinen Lukas als mit einem Modesinn assoziieren, aber die Zeiten ändern dich.

Crocs sind die Ugly Sneaker von heute. Zu camp für das Symbol der heterosexuellen Kleinfamilie. Für dieses Milieu sind außerdem schon Flipflops reserviert. Mit ihrer Möchtegern-Filigranität und dem aufdringlichen Klackergeräusch passen sie perfekt zum schnellen Gang unzufriedener Kund:innen, die gerne mal mit der Geschäftsführung sprechen möchten.

Ob mit oder ohne Socken, durch kleine Anstecker wie eine punkige Jeansjacke verziert oder mit flauschigem Innenfutter: Die Geschichte eines Paar Crocs ist so vielfältig wie seine Farbauswahl. Einen wirklich angemessenen Anlass, um Crocs zu tragen, gibt es nicht, wenn wir ehrlich sind. Also schließe ich daraus, dass jeder Raum ein geeigneter ist, um mit Crocs an den Füßen einen Auftritt hinzulegen. Wenn ich nicht in Plastikschlappen kommen kann, ist es nicht meine Revolution.

Mich für die Aneignung von Crocs zu loben oder mich deshalb als Stammspieler:in der Crocs-Community zu betrachten wäre spätestens seit dem Balenciaga-Upgrade der Schuhe unangebracht. Mein erstes Paar war kein Designermodell, sondern der flache Klassiker, übersät mit einer zufälligen Auswahl an Ansteckern, die schon dran waren, als ich sie bei Kleiderkreisel für ein paar Euro kaufte

Mittlerweile trage ich ein zweites Paar – mit Plateausohle. Während ich mit ihnen an den Füßen, „6 Inch“ von Beyoncé auf den Kopfhörern sowie der Freiheit, die das Zelebrieren von Hässlichkeit und der Abschied von einem Normie-Anspruch in sich tragen, nach Hause spaziere, weiß ich: Für vier Minuten und zwanzig Sekunden gehören die Straßen mir.

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Hengameh Yaghoobifarah
Mitarbeiter_in
Hengameh Yaghoobifarah studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Uni Freiburg und in Linköping. Heute arbeitet Yaghoobifarah als Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik.
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