die woche in berlin
: die woche in berlin

Die Coronapandemie lässt sich auch an der Veränderung der Müllberge ablesen (mehr Einweg), am Spreeufer ist der Reggae-Club Yaam ins Wackeln gekommen (ohne direkten Corona-Einfluss), und bei den Planungen zur S-Bahn-Linie 21 knirscht es

Gar nicht gut, wie voll die Körbe sind

Von wegen „Zero Waste“: Mehr Einwegmüll wegen Corona

Viel war in der taz in den vergangenen Wochen von Müll die Rede – aber eher metaphorisch. An dieser Stelle soll es mal wieder um the real thing gehen, den Abfall, den die Stadt Tag für Tag und tausendtonnenfach produziert.

Wie Stephanie Otto, die Chefin der Berliner Stadtreinigung (BSR), vor wenigen Tagen bilanzierte, haben Pandemie und Lockdown die Menge an Hausmüll nicht beeinflusst – aber neue Hotspots erzeugt. Damit meinte Otto weniger die in manchen Hinterhöfen überquellenden Tonnen, die zeitweise dadurch entstanden, dass auch die Reihen der Müllwerker coronabedingt ausgedünnt waren. Vielmehr bildeten sich Verschmutzungs-Cluster aus Einweggeschirr, sobald die Restaurants Speisen zum Mitnehmen anbieten durften – die dann gerne auch unter freiem Himmel verzehrt wurden.

Immerhin: Die Papierkörbe im öffentlichen Raum seien gleichzeitig zehn Prozent leerer gewesen, so die BSR-Chefin, die natürlich auch weiß, dass all das ­kurzlebige Phänomene sind.

Grundsätzlich gilt: Arm mag Berlin noch immer sein, aber ganz sicher nicht an Müll. Der klangvollen „Zero-Waste-Strategie“ des Senats zum Trotz werden die Kehrichtberge nicht kleiner, 2019 gingen im Müllheizkraftwerk Ruhleben 567.000 Tonnen in Flammen auf, die genehmigte Kapazität war erst kurz vorher erhöht worden.

Aber auch die Recyclingquoten stagnieren. Gerade bei den Leichtverpackungen aus Kunststoff oder Metall liegen sie bedrückend niedrig, irgendwo um die 20 oder 25 Prozent, wie gerade erst der Präsident des Verbands der privaten Entsorgungsbetriebe Peter Kurth bestätigte (die Älteren werden sich erinnern: Berlins vorläufig letzter CDU-Finanzsenator). Der Rest, hauptsächlich aus Erdöl hergestelltes Plastik, wird größtenteils auch verbrannt, etwa im Rüdersdorfer Zementwerk.

Dabei ist die ganze Verbrennerei nicht grundsätzlich von Übel – schließlich erzeugt man damit Strom oder Beton. Aber je weniger fossile Brennstoffe im Kontext der Energiewende benötigt werden, umso schlechter wird die Klimabilanz des Plastiks.Ein paar Tonnen extra durch Corona machen dabei den Kohl nicht fett. Die deprimierende Wahrheit lautet: Wir erzeugen Unmengen von vermeidbarem Müll, die ganze Zeit, überall. Die Handvoll Unverpackt-Läden in der Stadt oder alle jene, die immer Stoffbeutel oder Kaffeebecher dabeihaben, spielen aufs große Ganze bezogen weiterhin überhaupt keine Rolle. Traurig, aber wahr. Claudius Prößer

Arm mag Berlin noch immer sein, aber ganz sicher nicht an Müll

Claudius Prößer über die aktuelle Abfallsituation in der Stadt

An diesen Mauern muss man bauen

Blöde Spreelage: Marodes Ufer macht dem Yaam Kummer

Bis auf Weiteres wurde das Gebäude des Yaam-Clubs an der Schillingstraße von der Bauaufsicht gesperrt. Ein Gutachten hatte ergeben, dass die Ufermauer zur Spree, an die der Club direkt grenzt, marode ist. Eine Prüfung der Statik soll nun klären, wie gefährdet das Gebäude ist. Bis dahin bleibt der Laden erst einmal dicht. Die Freifläche des Clubs darf jedoch bis auf einen fünf Meter breiten Streifen entlang des Ufers weiterhin genutzt werden.

Eine Berliner Verwaltung, nämlich die von Friedrichshain-Kreuzberg, hat sich blamiert, weil sie eine Ufermauer jahrelang vor sich hinrotten ließ, obwohl seit Langem bekannt war, dass hier mal etwas getan werden müsste. Und als sie die Problematik dann schriftlich vorliegen hatte, musste alles ganz schnell gehen – auf Kosten des Yaam. Das ist ärgerlich für den Club und kein Glanzstück Berliner Bürokratie. Doch das Yaam kann derzeit wegen Corona sein Gebäude sowieso nicht nutzen, und ein Interimsbüro kriegt es hoffentlich irgendwo organisiert. Dass im Außenbereich nun mit einem Flatterband eine No-go-Area im Uferbereich ausgewiesen werden muss, könnte sogar etwas Gutes haben, ist doch nun unübersehbar: Hier muss gehandelt werden.

Der allgemeine Aufschrei bei der auch etwas komisch anmutenden Causa Yaam hat freilich auch gezeigt, wie beim Thema Clubs gerade bei allen die Nerven blank liegen. Erst Lockdown wegen Corona und jetzt dieser Mist, diese Reaktion des Yaam kann man hundertprozentig verstehen. Doch es wurde auch sehr viel rumort und wild spekuliert. Wird das Yaam in Wahrheit das „Opfer der Gentrifizierung?“, wurde im Deutschlandfunk gefragt. Der Tagesspiegel sieht den Club „vor dem Aus“ und das Neue Deutschland wirft dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg im Umgang mit dem Yaam ein „schmutziges Spiel“ vor. Ganz so, als hätte man dort bewusst darauf hingearbeitet, dem Yaam das Leben so schwer zu machen, dass es endlich freiwillig dem nächsten Bürokomplex von Mediaspree weicht.

Natürlich kann sich das Yaam an der Schillingbrücke nur halten, wenn es von der Politik unterstützt wird. Um den Club herum haben sich Konzerne und das Big Business breitgemacht. Ein Freiraum wie das Yaam mit seinem chilligen Reggae-Vibe und dem Abfeiern von karibisch-afrikanischer Kultur wirkt in der Umgebung wie ein Paralleluniversum. People of Color, die auf dem nahegelegenen Mercedes-Platz wahrscheinlich schnell Ärger mit dem privaten Wachschutz bekommen würden, sind im Yaam herzlich willkommen. Und die soziale Durchmischung, wie man sie dort auf Konzerten findet, wird in den schicken Roof-Top-Bars rund um den Zalando-Campus nebenan sicherlich auch nicht gerade angestrebt.

Doch Baustadtrat Florian Schmidt hat sich klar zum Yaam bekannt. Der Bezirk, dem das Grundstück gehört, auf dem sich der Club befindet, hat diesem während des Lockdowns Mieten erlassen. Ähnliche Maßnahmen wurden aufgrund des Ärgers mit der Ufermauer angekündigt. Und wenn die Prüfung der Statik positiv ausfällt – wovon die Betreiber des Yaam ausgehen –, wird auch zumindest das Gebäude des Clubs bald wieder offen sein. Andreas Hartmann

Gemeinsam für das Mahnmal einsetzen

Auf Kollisionskurs: S21-Planung und Denkmal im Tiergarten

Es knirscht ganz schön bei den Planungen zur S-Bahn-Linie 21, die einmal den Hauptbahnhof mit dem Südring verbinden soll. Denn bisher ist der geplanten Trassenführung das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma im Weg. Das Mahnmal wäre demnach beim Bau der Bahn nur eingeschränkt zugänglich, hätte teilweise gesperrt, in Teilen abgebaut oder im Ganzen versetzt werden müssen. Und falls Bahn und Verwaltung anfangs wohl wirklich dachten, dass sie dies ruhig vernachlässigen könnten, beeilen sie sich inzwischen nach Protesten von Sinti- und Roma-Selbstorganisationen sowie der Zivilgesellschaft damit, zu versichern, dass sie das Mahnmal nicht antasten und eine neue Lösung finden wollen.

Doch die ließ sich bisher nicht so einfach aus der Tasche zaubern. Also knirscht es weiter – und das ist auch gut so.

Hieß es Anfang der Woche noch, dass die Bahn eine alternative Routenführung prüfen wolle, bei der beide Tunnelröhren östlich des Reichstagsgebäudes verlaufen sollen, scheint dieser Entwurf nun schon wieder verworfen: Aus dem Bundestag verlautete am Freitag, man habe über diesen alternativen Plan der Bahn nur lachen können. Denn dann gäbe es eine riesige Baugrube direkt am Bundestag. Jedes einzelne Baustellenfahrzeug müsste aufwendig überprüft werden, der Betrieb des Parlaments würde dadurch wohl sehr erschwert.

Dass das Reichstagsgebäude für die Dauer der Bauarbeiten nur eingeschränkt zugänglich gemacht, teilweise gesperrt, in Teilen abgebaut oder im Ganzen versetzt wird – das ist bisher noch nicht Gegenstand der Planungen. Es ist auch unvorstellbar, dass das jemand ernsthaft in Erwägung zieht. Aber warum ist es bei dem Mahnmal nicht genauso?

Hier sollte es ebenso selbstverständlich sein – und es ist gut, dass die Diskussion nun in Gang kommt. Denn es handelt sich nicht um die Belange einer Minderheit gegenüber einem Zukunftsprojekt für den Berliner Nahverkehr, wie es teils dargestellt wurde – die Planungen gehen die ganze Gesellschaft etwas an.

Denn letztlich geht es um mehr als eine Baustelle und das Mahnmal. In Schulbüchern kommt der Genozid an den Sinti und Roma meist kaum vor, wenn überhaupt nur in wenigen Sätzen, und so ist der Porajmos auch wenig im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert. Auch das ist etwas, was im Zuge der weiteren Debatte auf den Tisch kommen sollte. Denn gerade am sorglosen Planen der Bahn zeigt sich, wie dieser Teil der Geschichte und Schuld permanent übersehen wird.

Es ist allerdings nicht die Verantwortung der Sinti- und Roma-Selbstorganisationen, darauf hinzuweisen. Die Dominanzgesellschaft sollte sie den Kampf um einen Gedenkort und ein Mahnmal, das sich an alle richtet, daher auch nicht allein ausfechten lassen.

Uta Schleiermacher

das war's