: „Mir fehlt als Mannschaftssportlerin das Team“
Women*Team (V): Sportlerinnen bekommen weniger Aufmerksamkeit und Geld für ihre Leistungen als Männer. Hier kommen sie zu Wort. Handballerin Lone Fischer hat nationale und internationale Pokale gewonnen. Gerade ist sie zum zweiten Mal zur Spielerin der Saison beim Buxtehuder SV gewählt worden
Lone Fischer
31, wurde einmal Europapokal- und zweimal DHB-Pokal-Siegerin mit dem Buxtehuder SV. Sie hat 48 Länderspiele für die deutsche Frauen-Nationalmannschaft bestritten.
Interview Pascal Patrick Pfaff
taz: Frau Fischer, wie sehr schmerzt Sie die Coronapause?
Lone Fischer: Der Saisonabbruch ist eine Katastrophe. Man will sich mit anderen Sportlerinnen messen und kann es nicht. Spielerinnen, die im Sommer aufhören, werden durch das abrupte Ende keinen richtigen Abschied haben. Und es ist natürlich auch nicht schön, nur alleine laufen zu gehen. Da fehlt einem als Mannschaftssportlerin einfach das Team.
2013 verletzten Sie sich schwer. War die damalige Handballpause schlimmer als die coronabedingte Auszeit?
Damals war es viel schlimmer. Ich hatte nicht nur einen Kreuzbandriss. Es waren auch die Menisken zerfetzt und der Oberschenkelknochen angebrochen. Unser Mannschaftsarzt war skeptisch, ob das nochmal was wird. Ich habe aber meinem Körper die Zeit zum Erholen gegeben. Dadurch bin ich sehr gereift und stärker zurückgekommen.
Sie erzielten in der abgelaufenen Spielzeit 91 Tore, wurden zur BSV-Spielerin der Saison gewählt. Eine große Ehre, oder?
Ich freue mich natürlich. Das ist eine Bestätigung für die Leistung, die ich bringe. Ich möchte aber festhalten, dass ich als Außenspielerin viel von meinen Mitspielerinnen profitiere. Sie setzen mich gut in Szene.
Sie kamen 2008 aus Owschlag zum BSV. Dort holten Sie zwei Jahre später mit Anfang 20 schon den Europapokal.
Der Sprung von der 3. Liga in Owschlag nach Buxtehude war schon enorm. In den ersten zwei bis drei Jahren hat man da auf jeden Fall mit Höhen und Tiefen zu kämpfen. Ich glaube aber, dass mein Ehrgeiz und der Trainingswille dazu beitrugen, dass ich es zu einer gestandenen Bundesligaspielerin packte.
2018 sind Sie aus der Nationalmannschaft zurückgetreten. Warum?
Im Jahr nach der Heim-WM 2017 hatte ich nur zweieinhalb Wochen frei. Das war ein enormes Pensum, was ich zwischen Nationalmannschaft und Bundesliga absolvieren musste. Dann hat sich auch ab und zu das Knie „gemeldet“ – und ich fragte mich, ob ich das alles noch schaffen kann. Ich hatte ja mit der Heim-WM mein persönliches Ziel erreicht; von daher habe ich beschlossen, meine Karriere zu beenden.
Gab es noch andere Gründe?
Ich war 2018 dabei, mein Studium der Sport- und Bewegungswissenschaft zu beenden und im Job Fuß zu fassen. Es ist wichtig zu wissen, wie es weitergeht, wenn ich kein Handball mehr spiele. Sport hat immer mein Leben geprägt, deshalb wird er mich auch weiter begleiten.
Wird Frauen-Handball eigentlich anders wahrgenommen als der Männer-Sport?
Ob Übertragungen oder Gehälter: Grob gesagt sind das zwei Welten. Ich finde das total schade, denn der Frauen-Handball hat sich in den letzten Jahren super entwickelt. Es gibt hier eine Athletik, die einfach schön anzusehen ist. Das wird aber im Gegensatz zum Männer-Handball nicht so gewürdigt.
Wie könnte der Frauen-Handball mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen?
Durch mehr Präsenz im Fernsehen. Oder auch mit Hilfe einer Berichterstattung von Zeitungen, die in ganz Deutschland präsent sind. Da gibt es Luft nach oben.
Kürzlich gab es im Verein die Aktion „BSV-Spielerinnen geben ihr letztes Hemd“. Was steckte dahinter?
Dem Verein fehlen die Einnahmen aus den coronabedingt ausgefallenen Heimspielen. Wir Spielerinnen haben dann überlegt, wie wir helfen können und die aktuellen Trikots zur Versteigerung angeboten. Ich hätte nicht gedacht, dass mit über 12.000 Euro eine so hohe Summe zusammenkommt.
Gibt es noch mehr Aktionen?
Man kann Gutscheine im Wert von 30 Euro kaufen und damit dann zwei Heimspiele in der nächsten Saison besuchen. Der Verein appelliert auch freundlich an die Dauerkarteninhaber, ihr Geld für die ausgefallenen Spiele nicht zurückzuverlangen.
Verzichten Spielerinnen und das Trainer-Team auf Gehalt?
Definitiv. Wir haben auch sehr schnell Kurzarbeit angemeldet. Dadurch verzichten wir auf 20 bis 25 Prozent des Gehalts. Das ist nicht wenig – aber wenn man dadurch den Verein unterstützen kann, dann macht man das auch über zwei bis drei Monate. Zum Start der Vorbereitung im Juli hoffen wir aber wieder auf die alten Bedingungen.
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