Ende der Ära Bouterse in Surinam?: Surinam hofft auf Veränderung
Bei den Parlamentswahlen in Surinam erleidet die Partei des Präsidenten und Ex-Diktators Desi Bouterse eine Niederlage. Grund ist die Wirtschaftskrise.
Am Montag waren rund 350.000 Wahlberechtigte an die Urnen gerufen worden. Die Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie wurden vorübergehend aufgehoben. Am Wahltag gab es Berichte über Chaos, Unregelmäßigkeiten und Wahlbetrug. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Stimmen erneut gezählt werden müssen.
Surinam ist das kleinste Land Südamerikas, nur knapp halb so groß wie Deutschland und fast völlig von tropischem Regenwald bedeckt. Die Hälfte der rund 600.000 Einwohner lebt in der Hauptstadt Paramaribo, die anderen verstreut an der Küste oder im tiefen Urwald.
Die Bevölkerung ist ein buntes Gemisch aus Ethnien und Religionen. In der ehemaligen niederländischen Kolonie leben Menschen afrikanischer, indonesischer, indischer, europäischer, chinesischer, brasilianischer und indigener Herkunft.
Bouterse: Putschist, Präsident, verurteilter Mörder
Desi Bouterse ist seit vierzig Jahren der wahrscheinlich mächtigste Mann des Landes. 1980, nur fünf Jahre nach Surinams Unabhängigkeit, putschte er sich an die Macht. Sieben Jahre später musste er durch internationalen Druck den Weg für eine zivile Regierung frei machen.
Nach nur drei Jahren führte er wieder einen Staatsstreich an und kam zurück an die Macht. 1992 trat er als Militärchef zurück, behielt aber weiterhin großen Einfluss. 2010 wurde Bouterse bei demokratischen Wahlen zum Präsidenten gewählt und gewann auch die Wiederwahl 2015.
Bisher schien an ihm alles abzuprallen: schwere Korruptionsvorwürfe, Verurteilung wegen Drogenhandels, Verurteilung wegen Mordes. Der heute 74-Jährige wurde im November 2019 wegen Beteiligung an der Tötung von 15 Oppositionellen 1982 zu zwanzig Jahren Haft verurteilt. Das Berufungsverfahren gegen das Urteil ist noch nicht abgeschlossen.
„Besonders arme Surinamer vertrauen auf ihn, weil er etwas für sie zu tun scheint“, sagt der surinamische Journalist Johannes Damodar Patak. So hat Bouterse diesmal vor den Wahlen eine zehn Kilometer lange Straße anlegen lassen, finanziert mit chinesischem Geld.
Hoffnung auf Wiederaufbau
Surinam ist nämlich komplett pleite. „Wegen der extremen Korruption und weil viel Geld in Infrastrukturprojekte gesteckt wurde, die nur dem Wahlkampf dienen“, so Patak. Surinam lebt von Gold, Erdöl, Bauxit und Holz. Durch die niedrigen Rohstoffpreise schrumpfte die Wirtschaft 2016 um mehr als 10 Prozent – und erholte sich nicht mehr.
„Jetzt rechnen die Menschen mit dem Versagen der letzten Jahre ab“, sagt Patak. „Die Wirtschaft ist kaputt, unser Geld nichts mehr wert, Lebensmittel und andere Waren werden immer teurer und sehr viele Menschen sind von Essenspaketen abhängig. Wäre der Wechselkurs besser, hätte Bouterse die Wahlen wieder gewonnen, ganz sicher.“
Der globale Wirtschaftsabschwung infolge der Corona-Krise wird die Situation noch verschärfen. Dabei ist Surinam weiterhin reich an Rohstoffen, erst im Januar sind zwei Ölfelder vor der Küste entdeckt worden.
Die Hoffnungen, vor allem die der jungen Surinamer, liegen auf Chan Santokhi. Er ist seit Jahren einer der größten Gegner von Bouterse und wird mit seiner „Fortschrittlichen Reformpartei“ VHP dieses Jahr wohl als großer Wahlsieger hervorgehen. Der Präsident wird im August vom Parlament bestimmt und benötigt dafür eine Zweidrittelmehrheit. Der Kampf um die Abgeordnetenstimmen dürfte hart werden – für Bouterse steht seine Freiheit auf dem Spiel.
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