Belastete Flussfische in Norddeutschland: In ihrem Element
Schwer zu sagen, wie es wild lebenden Flussfischen geht, ihre Gesundheit wird nicht regelmäßig geprüft. Jetzt gibt ein Schadstoff-Monitoring Einblick.
So starben beispielsweise im vergangenen Oktober in einem Kies-See im niedersächsischen Landkreis Leer Tausende Fische. Für die Passage der „Norwegian Encore“, einem Luxusliner der Papenburger Meyer-Werft, war die Ems zuvor drei Wochen lang ausgebaggert und der Schlick in den See gepumpt worden. Die Sauerstoff- und Salzwerte waren dann so schlecht, dass eineinhalb Tonnen tote Fische aus dem See geholt werden mussten. In solchen Fällen ist die Ursache leicht auszumachen.
Schwieriger ist das beim stillen Verschwinden der Tiere, das aber ebenso auf mangelhafte Wasserqualität hinweisen kann. Fische können durch Krankheiten dahingerafft werden, weil Schwermetalle ihr Immunsystem schwächen oder sie sich nicht mehr fortpflanzen können, weil die Eier und Jungfische nicht überleben.
Im April hat das niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) seinen Abschlussbericht des neuen „Schadstoff-Monitoring in Flussfischen aus niedersächsischen Flussabschnitten“ veröffentlicht – angelehnt an eine 2008/2009 durchgeführte Untersuchung zum Schadstoff-Monitoring.
Im Monitoring 2019/2020 wurden insgesamt 164 Aale, Brassen und Zander aus Elbe, Ems, Weser, Aller und Oste untersucht. Die Brasse ist als Vertreter der Weißfische ein beliebter Anglerfisch, der Aal kommt in nahezu allen Flüssen Deutschlands vor. Zander wurden 2019 neu in das Untersuchungsprogramm aufgenommen.
Diese Substanzen finden sich in den wild lebenden Flussfischen:
Perfluoroctansulfonsäure (PFOS)
Gehört zu den perfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS), die in der Industrie genutzt werden, etwa zur Beschichtung von Papier, zur Imprägnierung von Kleidung, Polstermöbeln und Teppichen und in Feuerlöschschäumen.
Im menschlichen Körper geht man von einer Halbwertszeit von fünf Jahren aus. PFOS steht in Verdacht, Leber und Schilddrüse zu schädigen, das Immunsystem anzugreifen und die Fortpflanzungsfähigkeit zu beeinträchtigen
Im niedersächsischen Schadstoff-Monitoring wurden sowohl bei Aal, Brasse als auch Zander problematisch hohe PFOS-Werte gefunden, und zwar in allen untersuchten Flüssen. Würde eine Person, die 60 Kilo wiegt, in der Woche 300 Gramm verzehren, käme sie bei 83 Prozent der Fischproben über den kritischen Grenzwert, bei dem die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde vor gesundheitlichen Schäden warnt.
Dioxine und PCB
Es handelt sich um organische Chlorverbindungen, die im Verdacht stehen, Krebs auszulösen und deshalb nach dem Stockholmer Übereinkommen von 2001 weltweit verboten sind (PCB in Deutschland sogar seit 1989). Sie entstanden bei Verbrennungsprozessen oder wurden als Industriechemikalien verwendet, sind nicht wasserlöslich und binden sich an Fett, weshalb fettreiche Fische sie gut aufnehmen können.
Während die Monitoring-Proben beim Zander unter den Höchstgrenzen blieben, wurde bei 20 Prozent der Brassen eine Überschreitung der Grenzwerte festgestellt. Beim Aal wurden die Grenzwerte nicht ganz so häufig überschritten, allerdings liegt die zulässige Menge hier auch höher.
Eine Verzehrempfehlung sei noch nicht möglich, heißt es im Monitoring, weil das zuständige Bundesamt noch keine Risikobewertung vorgenommen habe. Der Verzehr von Brasse und Aal könne jedoch „erheblich zur Aufnahme von Dioxinen und PCB beim Menschen beitragen“.
Chlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW)
Die Pestizide und Industriechemikalien, die in Deutschland inzwischen verboten sind, lassen sich immer noch nachweisen, da sie nur langsam abgebaut werden.
Das Schädlingsbekämpfungsmittel DDT einschließlich seiner Metaboliten wurde in 98,8 Prozent der 169 untersuchten Fischproben nachgewiesen, Hexachlorbenzol (HCB) in 85,8 Prozent.
In sieben Fällen ergaben sich Höchstmengenüberschreitungen, in allen sieben handelte es sich um Proben von Aalen aus der Elbe. Die Brassen waren geringer belastet. Der Monitoring-Bericht merkt an: „Die Elbe gilt damit auch weiterhin als Belastungsschwerpunkt für DDT und Metaboliten sowie für Hexachlorbenzol.“
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