piwik no script img

Unkommerzielles Projekt in bester LageIm Centro ist’s zu teuer

Das linke Zentrum in St. Pauli zahlt 4.000 Euro Monatsmiete. Die Nutzer*innen verhandelten über einen neuen Vertrag, bis Corona dazwischenkam.

Soziokulturelles Zentrum mit politischem Anspruch: Das Centro Sociale 2008 Foto: Marcus Brandt/dpa

Hamburg taz | Heute im Centro: 12 Uhr Gesang“. Auf der Webseite des Stadtteiltreffs im Karoviertel stehen noch die geplanten Termine. Um 16 Uhr hätte es ein offenes Treffen queerer Refugees gegeben, um 18 Uhr die Fahrrad-Selbsthilfe-Werkstatt, ab 19.30 Uhr eine Beratung der Roten Hilfe.

Jetzt sind alle Veranstaltungen bis auf Weiteres abgesagt. Und die Zukunft des Projekts scheint auch nicht gesichert: „Unser Mietvertrag ist am 31. 12. 2019 abgelaufen“ steht auf der Internetseite und draußen auf einem Plakat an der Hauswand.

Auch linken Zentren machen die Coronamaßnahmen schwer zu schaffen. Kosten laufen weiter, aber Einnahmen bleiben aus. Das Centro Sociale ist doppelt betroffen: Eigentlich hatten die Nutzer*innen gerade mit der Stadtentwicklungsgesellschaft Steg über die Verlängerung des Mietvertrages verhandelt. Dazu sollte es eine Infokampagne geben. Die liegt wegen Corona auf Eis. Auch die Verhandlungen mit der Steg stocken.

Der neue Vertrag soll nach dem Willen der Centristas, wie sie sich selbst nennen, deutlich bessere Konditionen enthalten als der alte. Gerald B., einer der alteingesessenen Ehrenamtlichen, sagt: „Jahrelang haben wir uns angestrengt, teils auf Kosten der Gesundheit.“

Weniger Miete, längere Laufzeit

Die Miete verursache monatlich Kosten in Höhe von 4.000 Euro, die über Weitervermietung erwirtschaftet würden – an den Gastronomiebetrieb „Feldstern“ und an Gruppen, die das Centro für Partys mieten. Gerade Letzteres müsse organisiert werden und hinterher müsse man aufräumen. Da bleibe den Ehrenamtlichen oft wenig Zeit für ihre soziokulturelle und politische Arbeit.

Die Centristas fordern deshalb, dass die Quadratmetermiete um einen Euro sinkt – das wäre um fast ein Fünftel. Und sie wollen eine Laufzeit von mindestens 30 Jahren. Wegen der verzögerten Verhandlungen ist aus der bisherigen langfristigen Bindung automatisch ein normaler Gewerbemietvertrag mit sechsmonatiger Kündigungsfrist geworden.

Das bestätigt die Steg auf Anfrage. Diese Situation könne so nicht bleiben, sagt Sybille K., ebenfalls langjährige Ehrenamtliche: „Wir brauchen längerfristige Sicherheit, unabhängig von politischen Ränkespielen und davon, wer im Rathaus sitzt.“

Seit zwei Jahren habe man in Planungsgruppen die Möglichkeiten – Erbpacht, Kauf oder Miete – durchgespielt und mit der Steg Vorverhandlungen geführt. Mit dem alten Geschäftsführer Hans Joachim Rösner seien die auch recht weit gediehen, sagt Sybille K.

Rösner habe die Miete zwar senken, aber an den Mietpreisindex anpassen wollen, und eine kürzere Vertragslaufzeit vorgeschlagen. Das sei für die Gruppe nicht tragbar gewesen. Der Wechsel an der Spitze der Steg zum Jahreswechsel habe dann alles ins Stocken gebracht.

Kaum soziokulturelle Angebote

„Dabei müssten Stadt und Bezirk uns eigentlich die Bude einrennen und fragen, was sie noch für uns tun können“, meint Sybille K. Schließlich gebe es auf St. Pauli so gut wie keine städtischen soziokulturellen Angebote.

„Grundsätzlich ist die Steg bereit, den Mietvertrag zu verlängern“, sagt der neue Geschäftsführer Kurt Reinken auf Anfrage der taz. Das Problem sei aber, dass eine so lange Laufzeit, wie sie das Centro Sociale fordert, und eine Miete „sehr weit unterhalb der Marktmiete“ nicht ohne Zustimmung der Bürgerschaft und des Landesbetriebs Immobilienmanage­ment zu vereinbaren seien.

Auch eine mögliche Anerkennung als Stadtteilkulturzentrum mit öffentlicher Förderung bringt er ins Spiel. Die müsse noch geprüft werden. Das hieße allerdings dann „Öffnung auch für andere Gruppen“, so Reinken. Eine öffentliche Finanzierung käme für das Centro nicht in Frage, sagt Sybille K. Man wolle unabhängig bleiben. Aber neue Gruppen? „Selbstverständlich, so lange die unsere Werte teilen“, also etwa antirassistisch und antisexistisch sein.

Bei der Pressestelle der Finanzbehörde indes heißt es auf Nachfrage, dass nach aktuellem Kenntnisstand der Meinungsbildungsprozess noch nicht abgeschlossen sei. Offenbar wartet man dort noch auf eine Einschätzung der Steg. Doch auch da ist die Entscheidung über die Vertragsverlängerung und die Konditionen wohl noch nicht gefallen.

Die Steg hat den Centristas derweil empfohlen, sich an die Politik zu wenden. Von der habe es bisher eher positive Signale gegeben, sagen Sybille K. und Gerald B. Sie sind weiter zuversichtlich, dass es eine Einigung geben werde. Und Corona werde irgendwann auch vorbei sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!