Schräge Vögel von der Küste

Gut, wenn auch nicht frei von Klischees: Im Online-Angebot des Norddeutschen Rundfunks ist derzeit die Comedyserie „Deich TV“ noch mal zu sehen

Buddeln bis nach Australien: Typisch norddeutsch, dieser „Eiländer“ (Konstantin Graudus) Foto: NDR

Von Wilfried Hippen

„Da macht man aus Korn am liebsten Korn“: Wird ein Schauplatz mit so einem Satz vorgestellt, und dann geht es um Dorfpolizisten, die gleich hinterm Deich auf einem schmalen Weg die Geschwindigkeit kontrollieren, und zwei Protagonisten sprechen bei alldem nicht ein Wort: Das muss dieser norddeutsche Humor sein. Einer von denen, die diese spezielle Art von Komik in Kino, Funk und Fernsehen entwickelt haben, ist Torsten Wacker.

Geboren 1962 in Bremen, aufgewachsen in Delmenhorst, hat Wacker zunächst in der Werbung gearbeitet und inszenierte in den 1990er-Jahren die erfolgreichen Werbespots für die Biermarke „Flensburger Pilsener“. Später führte er Regie bei Serien wie „Großstadtrevier“, „Morden im Norden“ oder „Nordisch herb“. Ab 2004 wirkte er mit an der Sketchcomedy-Serie „Deich TV“ – die der Sender Sat 1 nach sechs Folgen wieder einstellte.

Ein Comeback erlebte das Format 2017: Da ließ der Norddeutsche Rundfunk – der ja auch der vormaligen Webserie „Deichbullen“ eine analoge Heimat geboten hatte – vier neue Folgen von „Deich TV“ drehen. Die hat der NDR im April erneut ausgestrahlt, nun finden sich die jeweils 28 Minuten langen Sendungen in seinem Online-Angebot: Die Folgen eins und zwei sind dort noch bis zum 2. Juni zu sehen, die Teile drei und vier noch eine Woche länger.

Gedreht hat Wacker in ostfriesischen Örtchen wie Krummhörn, Wangerland und Ihlow. Er bevölkerte sein fiktives Dorf Wirsing an der Nordseeküste mit typisch norddeutschen Originalen, vermied andererseits weitgehend die Albernheiten, die deutsche Sketchcomedy oft so peinlich anbiedernd wirken lassen. Wacker und sein Autorenteam „Krause & Kumpane“ haben eine erkennbare Vorliebe für grotesken Humor, und in einigen ihrer Sketche lassen sich immerhin Anleihen finden bei Loriot oder auch dem Meister des skandinavischen Humors, Roy Andersson, Regisseur unter anderem von „Songs from the Second Floor“.

So gibt es bei ihnen etwa einen schweigsamen „Eiländer“, der in einer aus Strandgut gebastelten Holzhütte lebt und sich per Plastikschippe bis nach Australien durch gräbt. Ein mobiler Landarzt „repariert“ im Campingwagen seine Patienten – mit Autobatterie, Hammer und Schraubenzieher. Und ein Ökopaar versucht, mit esoterischem Unsinn den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen, was in der Dorfkneipe zu viel Gelächter führt. Charles M. Brauer – jahrelang Manfred Krugs Sidekick im Hamburger „Tatort“– und Hedi Kriegeskotte sind als innigst verfeindetem Rentnerpaar ein paar Szenen in geradezu klassischer Deadpan-Tradition gelungen, was mit „trockener Humor“ ja nur sehr ungenau zu übersetzen ist. Und wenn bei einem Haushalt mit Migrationshintergrund (mit Jared Dibaba als Vater) die Polizei „mal nach dem Rechten sehen“ will, sorgt auch das für einen gut gesetzten Lacher – auf Kosten der „Rechten“ natürlich.

Nicht alle Witze zünden, manche Kalauer, etwa der vom „Wahlkampf mit Moby Dick“ – Sie wissen schon: dem weißen Wal (!) aus der Weltliteratur –, sind schwach. Aber so ist es vielleicht mit dem norddeutschen Humor: Er ist immer trocken, aber manchmal auch platt.