Corona in Flüchtlingsunterkunft: Warnung nur auf Deutsch
Geflüchtete in Hamburg-Bahrenfeld protestieren dagegen, dass sie spät über einen Coronafall im Haus informiert wurden und sich nicht isolieren können.
Rosa S. lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn seit acht Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft des städtischen Betreibers Fördern und Wohnen. Hier ist Platz für 450 Menschen, darunter sind viele Familien. Von der Infizierung einer Bewohnerin habe sie durch einen Zettel auf dem Flur erfahren, den sie abfotografiert hat. Dort steht auf Deutsch: „Coronafall, bitte nicht betreten, wenn Sie hier nicht wohnen!“ Ein durchgestrichenes Virussymbol ist darunter abgebildet. Sie habe sich dann bei Betreuer*innen erkundigt, doch erst auf wiederholte Nachfrage habe man alle Bewohner*innen informiert. „Ich hatte das Gefühl, sie wollen es uns nicht sagen“, sagt sie.
Susanne Schwendtke, Sprecherin von Fördern und Wohnen teilt hingegen mit, dass man Bewohner*innen desselben Flures bereits am Tag, als die Infizierung bestätigt wurde, informiert habe. Das war am Samstag. Sie erklärt, dass es zwar eine gemeinschaftliche Unterkunft sei, Bewohner*innen aber „führen ihren eigenen Haushalt“. Vor Ort gebe es zwar ein Team für Beratung, jedoch keine Rundumbetreuung wie etwa in einem Heim.
Die Stadt Hamburg möchte mit dem Coronavirus infizierte Geflüchtete künftig in einer separaten Unterkunft unterbringen: „Zur Entlastung der Situation in Gemeinschaftsunterkünften und zur noch besseren Versorgung, Betreuung und Begleitung von erkrankten Personen“, sagt Martin Helfrich, der Sprecher der Sozialbehörde. „Dieser dient dazu, dass Menschen hier – wenn nötig – medizinisch versorgt genesen können.“ Patient*innen mit schwereren Verläufen kämen weiter ins Krankenhaus. Helfrich geht davon aus, dass diese Form der Unterbringung im Mai startet.
Eine Küche und ein Bad für sechs Familien
Im konkreten Fall seien „alle Personen, die sich Sanitäranlagen und Küche teilen“ isoliert worden, sagt Schwendtke. Die Gesundheitsämter würden bei Unterkünften wie denen in Bahrenfeld „analog zu Wohngemeinschaften“ verfahren und alle dort lebenden Personen isolieren.
Rosa S. beschreibt, dass jeweils etwa sechs Familien Küche und Badezimmer gemeinsam nutzen. Das seien oft mehr als 20 Personen. Laut Schwendtke würden die Bewohner*innen des betroffenen Flures nun durch das Team vor Ort versorgt. Sie seien „ebenso wie andere Menschen dafür verantwortlich, sich an Auflagen der Gesundheitsämter zu halten“, sagt Schwendtke.
Nach Angaben der Geflüchteten wurden die restlichen Bewohner*innen jedoch erst am Montagabend, zwei Tage später, informiert. Einige fassten daher spontan den Entschluss, sich am Dienstagmittag vor dem Gebäude zu versammeln, um auf die Situation aufmerksam zu machen – angemeldet haben die Geflüchteten die Aktion nicht.
Sie stehen am Dienstag mit etwas Abstand zueinander in einer Reihe, als nach etwa einer halben Stunde die Polizei eintrifft, um die Versammlung aufzulösen. Ein junger Mann, der zwischen den Beamt*innen und der inzwischen gewachsenen Anzahl an Geflüchteten übersetzt, versucht die Lage zu erklären: „Wir sind hier draußen sicherer als drinnen“, meint er.
Letztlich geben er und die anderen Geflüchteten der Aufforderung der Polizist*innen nach. Die Alternative wäre ein Bußgeld gewesen. In den kommenden Tagen wollen sie nun offiziell eine Kundgebung anmelden.
Nachdem die Polizei weggefahren ist, sitzt Rosa S. auf einer Bank vor dem Eingang. „Wir haben Angst“, sagt sie. Ihr Mann gehöre zur Risikogruppe. Sie wollen gerne in eine eigene Wohnung ziehen, doch die Coronalage verlangsame den Prozess. „Alle sollen sich gerade isolieren. Warum nicht wir?“
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