„Es ist enorm enttäuschend“

Mit welchen Gefühlen Schüler*innen derzeit in die Abi-Prüfungen gehen, erklärt Abiturient Felix Gruner

Felix Gruner

macht Abitur am Heinz-Berggruen-Gymnasium in Westend. Ende Mai werden wir ihn fragen, wie er das Abitur unter den corona­bedingten Einschrän­kungen ­gemeistert hat.

Interview Anna Klöpper

taz: Felix, seit dieser Woche laufen die Abiturprüfungen in Berlin – begleitet von Protest aus der Schülerschaft, weil viele für eine Absage waren. Mit welchem Gefühl gehst du in die Prüfungen?

Felix Gruner: Eigentlich mit einem ganz guten. Ich habe Mitte März so richtig angefangen mit der Vorbereitung, meine erste Prüfung habe ich nächste Woche, als letztes kommt am 19. Mai Geschichte. Für Mathe und Englisch muss ich noch lernen, ansonsten bin ich gewappnet.

Was hast du gedacht, als Mitte März die Schulen in Berlin geschlossen wurden und schnell klar war, dass sie auch nicht so bald wieder aufmachen würden?

Ich hatte am Anfang schon ein bisschen die Hoffnung, dass ich die Abi-Prüfungen vielleicht nicht schreiben muss. Aber es geht nicht nur um die Prüfungen, sondern auch um den Sommer danach. Wir waren jetzt alle jahrelang in der Schule, haben das System ertragen und uns gefügt. Da war die Hoffnung, dann frei zu sein, Interrail, Work and Travel, die Welt erkunden. Das hat sich jetzt erledigt.

Fühlt man sich da ein bisschen betrogen?

Betrogen vielleicht nicht, aber es ist enorm enttäuschend. Aber ich bin da auch zwiegespalten: Einerseits sehnt man sich natürlich nach einem normalen Alltag zurück, und andererseits ist einem völlig klar, dass man mit Lockerungen vorsichtig sein muss, um Risikogruppen zu schützen und so weiter.

Zurück zu den Prüfungen: Wie hast du dich vorbereitet?

Ich hatte die Aufzeichnungen aus den letzten vier Semestern. Eigentlich hätte ich die Bibliotheken gebraucht, aber die waren ja geschlossen. Blieb das Internet: Da ist natürlich die Frage, ob die Quellen, die man da findet, immer so verlässlich sind. Klar haben die Lehrer Hilfe angeboten und ein-, zweimal gab es auch eine Videokonferenz. Aber das ist kein Vergleich zu dem, was man sonst gehabt hätte. Und wenn man allein zu Hause am Computer sitzt, ist die Verlockung durch Netflix groß.

Seid ihr benachteiligt gegenüber den anderen Abi-Jahrgängen?

Ich habe den Vergleich nicht. Ich weiß nicht, ob ich nicht auch sonst Netflix geguckt hätte, statt zur Lerngruppe zu gehen.

Wie sieht das dein Freundeskreis?

Wir hatten keine technischen Probleme: Internet und Computer haben wir alle. Aber die Situation hat viele ganz schön beeindruckt und war bestimmt nicht gut für die Konzentration. Und wenn andere nicht mal die technischen Möglichkeiten für eine gute Vorbereitung haben: Ich glaube, man hätte die Prüfungen absagen müssen, das wäre fair gewesen.

Nun finden sie statt. Was erhoffst du dir?

Ich stehe bei einem Schnitt von 1,88. Das Beste, was bei mir klappen könnte, wäre 1,4. Aber da müsste ich in jeder Klausur die Maximalpunktzahl von 15 schaffen. Ich will Psychologie studieren. Da ist der NC bei 1,0. Ich glaube, da werden noch viele Klagen auf den Senat zukommen, weil viele die Abitur-Ergebnisse anfechten werden.