Frühförderstellen vor dem Aus

Hilfen für behinderte Kinder wegen Corona untersagt. Träger bekommen nur 55 Prozent ihrer Kosten

Von Kaija Kutter

Sie helfen Eltern, die sich Sorgen um die Entwicklung ihrer Kinder machen und ermöglichen auch behinderten Kindern, in eine normale Kita zu gehen. Doch nun sind Hamburgs „Interdisziplinäre Frühförderstellen“ selber in Not, darauf hat die „Vereinigung für Interdisziplinäre Frühförderung – Nord“ (VIFF) hingewiesen. Der Grund: Seit dem Lockdown gibt es auch für ihre Räume ein Betretungsverbot. Doch über den Schutzschirm für soziale Dienste sollen sie nur 55 Prozent ihrer Kosten ersetzt bekommen.

„Wir brauchen einen Nothilfe-Fonds, sonst wird es viele von uns in einigen Monaten nicht mehr geben“, sagt Bela Rogalla von der Frühförderstelle „Kinderkompass“. Denn als gemeinnützige Träger dürften sie keine Rücklagen bilden. Es fehle Geld zur Überbrückung der Krise.

Auf Frühförderung haben kleine Kinder laut Sozialgesetzbuch einen Anspruch, wenn sie behindert oder von Behinderung bedroht sind. In Hamburg gibt es dafür 14 „Frühförderstellen“, die über 600 Kinder begleiten, wie Rogalla berichtet. Dies geschehe teils in den Frühförderstellen, teils in Kitas oder Wohnungen der Kinder.

Seit Mitte März dürfen die Mitarbeiter nur noch Telefon, Mails oder digitale Medien nutzen und keine Therapien mehr anwenden, die direkten persönlichen Kontakt erfordern. Ausgenommen sind Therapien, die für die Gesundheit der Kinder unverzichtbar sind.

Während die Stadt, wie berichtet, den übrigen Sozialdienstleistern eine 100-Prozent-Förderung während der Coronakrise zumindest in Aussicht stellt, scheint dies hier nicht möglich. Der Grund ist ein rechtlicher. Die Arbeit der Therapeuten vor Ort wird von den Krankenkassen bezahlt. Und die sind, ebenso wie die Pflegeversicherung, bisher am Rettungsschirm des Bundes nicht beteiligt.

Insofern bestehe „keinerlei Möglichkeit einer Finanzierungsbeteiligung“, sagt Isabel Merchan Casado von der Krankenkasse AOK Hamburg-Rheinland. Gleichwohl liege den Kassen die Angebots- und Infrastruktur der Frühförderstellen „sehr am Herzen“. Die Akteure leisteten einen „relevanten Beitrag zur niedrigschwelligen Versorgung für behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder“.

Indes versicherte Martin Helfrich, der Sprecher der Hamburger Sozialbehörde, am Freitag, man sei gerade mit allen geförderten Einrichtungen im Gespräch. „Auch in dieser Sache arbeitete die Behörde bereits in dieser Woche gemeinsam mit anderen Behörden und Leistungsträgern an einer Lösung“.

Nach Vorstellung des VIFF sollten die Kassen auf Bundesebene verpflichtet werden, ihre bisherigen Anteile an der Frühförderung auch weiter zu zahlen. Bis dies soweit ist oder das Betretungsverbot wieder aufgehoben wird, müsse der Hamburger Senat mit besagtem Notfonds „die Einnahmeverluste kompensieren“, verlangt Rogalla.