Event must wait

Die Zeit bis zum 40. Geburtstag überbrücken Schlachthof-MitarbeiterInnen, indem sie eine Plattform für regionale Kulturschaffende launchen. Der Zuspruch ist noch schlapp

Bitter: Die Schließzeit ist nicht zu Ende – und vor Herbst kommt‘s nicht zu kuschelig vollen Konzerten im Schlachthof Foto: Ingo Wagner/dpa

Von Jens Fischer

„Entfällt“, „ist verlegt“ – derart sind alle Veranstaltungen im Schlachthof derzeit gekennzeichnet. „Wobei verlegt eben auch meist bedeutet: Da fällt was aus, also eine Einnahme weg“, erklärt Chefin Bettina Geile. „Denn wenn ein Konzert statt jetzt im April im nächsten Januar stattfindet, ist das in diesem Geschäftsjahr ein Ausfall.“ So wie auch die für den Schlachthof gebuchte Jazzahead! nicht um ein Jahr verlegt wurde, sondern das für 2021 geplante Festival einfach zu 100 Prozent ausfällt, und dann stattdessen ein Großteil der für dieses Jahr gebuchten Künstler auftritt.

Was trotzdem im Schlachthof so täglich läuft? „Für den Magazin­keller haben wir die Renovierung vorgezogen“, sagt Geile. Außerdem würde liegen gebliebene Arbeit erledigt. Was für 31 Mitarbeiter nicht unbedingt tagesfüllend, bei null Einnahmen seit Mitte März eben auch nicht finanzierbar ist.

Daher wurde jetzt der Antrag auf Kurzarbeit gestellt für die Festangestellten. „Minijobber-Aushilfen zahlen wir sowieso aus sozialen Gründen weiter“, sagt Geile. Sie ist aber trotz des Verbots aller ihrer für Live-Publikum ausgelegten Veranstaltungen vorsichtig optimistisch. Mit der abgerufenen institutionellen Förderung des Kultursenators, 511.000 Euro pro Jahr bei einem Gesamtumsatz von 1,2 Millionen Euro in coronafreien Zeiten, und eventuell beantragten 20.000 Euro-Corona-Soforthilfe könnte man bis zu den Feierlichkeiten des 40. Schlachthof-Geburtstags vom 3. bis 5. September die Einnahmeverluste kompensieren. Bis dahin wird aber im Schlachthof keine Veranstaltung stattfinden.

Was Mitarbeiter gegen die Langeweile der konzertlosen Zeit im Homeoffice tun? Die beiden auszubildenden Veranstaltungskaufleute Melanie Tesch und Yasin Lucas Boranbay haben die Aktion „Bremer Kultur stellt sich vor“ initiiert. „Die sehr große Reichweite des Kulturzentrums wollen wir dafür nutzen“, so Tesch.

Bei Instagram hat der Schlachthof 2.503 Follower und bei Facebook sogar 30.835. Am 9. April ging die erste Künstlerin online: Anna Jäger, Ensemblemitglied der Moks-Inszenierung,,Für Vier“ von Birgit Freitag, die den Faustpreis 2019 des Deutschen Bühnenvereins gewann. Jäger hat Tanz und Theaterpädagogik studiert und arbeitet freischaffend als Schauspielerin, Performerin und Bewegungstherapeutin.

Schlichter Biografietext, ein Paar Bilder, 21 liken, 2 lieben das bei Facebook. Wenn sich so möglichst viele in der Region tätigen Schauspieler, Musiker, Tänzer, Maler, Projektleiter darstellen, könnte das als Werbeplattform und prima Übersicht funktionieren. „Ich schätze, das sind so 1.000 Menschen im Großraum Bremen“, sagt Tesch, „aber nur drei haben sich bis vor Ostern bei uns gemeldet, traurig aber wahr.“

Dabei sei das ganz einfach: „Man muss ein höchstens 60 Sekunden langes Selbstporträt-Video im Hochkant-Format schicken. Außerdem benötigen wir einen kurzen Text und ein oder zwei Bilder von den Künstlern und ihrer Kunst. Das posten wir dann in unserem Feed.“ Der Beitrag werde da auch dauerhaft zu finden sein, was bedeute, dass die Bilder „für die Nutzer sichtbar bleiben“, auch wenn die ­Storys nach 24 Stunden verschwinden. Die Daten sollen geschickt werden an: bremer.kultur@schlachthof-bremen.de

„Nur drei haben sich bis Ostern bei uns gemeldet, traurig, aber wahr“

Melanie Tesch, Azubi am Schlachthof, sucht nach Kulturschaffenden

Für die Geburtstagsfeierlichkeiten des Kulturzentrums wird derzeit auch in anderen Homeoffices gewerkelt. Medienwerkstattleiter Jens Werner erklärt: „Der Schlachthof ist in die Jahre gekommen, soll sich aber weiterentwickeln.“ Als Utopiekraftwerk – wider das vorherrschende Verständnis von Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität. Mit Graffiti-, Skulptur-, Foto-, Film-, Theater-Workshops, künstlerischen Aktionen im öffentlichen Raum, Diskussionen und einem Kurzfilmwettbewerb wollen die Werkstätten des Kulturzen­trums einen kulturellen Wandel hin zu einer nachhaltigen Lebensweise diskutieren.

„Welches Wachstum ein gutes Leben für alle ohne die weitere Zerstörung der Umwelt sichert, ist das Thema“, so Werner. „Keine Panik“ sei das Motto für den Weg und der Titel des Do-it-yourself-Festivals. Die Vorbereitung laufe seit Ende letzten Jahres, Kooperationen seien mit Klimazone Findorff, BUND Bremen, Arbeitnehmerkammer Bremen und dem Kubo vereinbart. Start sollte im Juni sein, dank Corona wird das Programm nun optimistisch für Juli bis September geplant, damit die Ergebnisse auf der 40-Jahr-Party präsentiert werden können.

Höchst aktuell öffnet der Schlachthof zudem eine virtuelle Keine-Panik-Toolbox: Dort sollen Bremer ihre guten Erfahrungen und zukunftsweisenden Einsichten während der Corona-Krise ablegen, „die als Werkzeug für den Bau einer solidarischen, sozial gerechten und nachhaltigen Gesellschaft nützlich sein werden“, so Werner. Erlebnisberichte, alltägliche Geschichten, Momentaufnahmen und Gedanken können als Text-, Foto-, Audio- oder Videodatei gesendet werden an: keinepanik@schlachthof-bremen.de.