Buchhändler:innen nutzen Instagram: „Social Media rettet uns jetzt“
Buchhandlungen müssen sich etwas einfallen lassen, um die Corona-Zeit so unbeschadet wie möglich zu überstehen. Da helfen Internet und Instagram.
Viele Buchhandlungen fürchten derzeit um ihre Existenz. Wer sich aber umhört unter Buchhändler:innen, kann auch Überraschungen erleben. Es sei wie kurz vor Weihnachten, im Moment gebe es einen Run auf Bücher. So zumindest sagen es, entgegen dem allgemein eher krisenhaften Trend im Buchgeschäft, Mitarbeitende von Buchhandlungen, die für diesen Text interviewt wurden.
Sie sind allesamt sehr präsent in den sozialen Medien. Klar scheint also zu sein: Je länger der Corona-Shutdown anhält, desto wichtiger ist eine gute Onlinepräsenz. Vor allem Instagram ist dabei ein relevantes Tool.
Besser zu spät als nie, lautet dabei der wichtigste Rat, den Buchhändler:innen mit gut laufenden Kanälen ihren Kolleg:innen geben. Und der zweite Rat ist, auch auf Instagram als beratende Personen aufzutreten. Denn genau darin besteht die Chance: den User:innen das Gefühl zu vermitteln, sie befänden sich via Smartphone in der Buchhandlung.
Was in weniger krisenhaften Zeiten ein sympathischer Extraservice ist, kann jetzt für das Fortbestehen unabhängiger Buchhandlungen essenziell werden. Denn wo kaufen diejenigen ein, die verstanden haben, dass von Onlinebestellungen bei Amazon aus vielerlei Gründen abzuraten ist, aber keine Stammbuchhandlung haben? Im Zweifel in der Buchhandlung, die sie bereits aus dem Internet kennen.
Durch Posts auf Bücher aufmerksam werden
Einer, der Instagram genau kennt, ist Florian Valerius, Deutschlands Vorzeige-„Bookstagrammer“. Seinen Account @literarischernerd haben fast 19.000 Menschen abonniert, die seine sehr persönlichen Empfehlungen schätzen: Regelmäßig kommen Menschen in die Trierer Buchhandlung Stephanus Bücher, in der er arbeitet, zeigen ein Foto von ihm und fragen nach dem abgebildeten Buch.
Bereits seit Jahren kämpft Valerius dafür, dass seine Kolleg:innen im Buchhandel die Bedeutung des Internets begreifen. „Beim Onlineversand denken alle an Amazon. Vielen Kund:innen ist nicht einmal bewusst, dass die meisten Buchhandlungen Websites mit Warenkorb haben – weil das nie kommuniziert wurde.“
Instagram hält er für ein gutes Medium, um Hemmschwellen abzubauen. „Der Buchhandel muss nahbar, menschlich sein“, sagt er. „Dafür sind Social-Media-Kanäle großartig, weil man einen persönlichen Kontakt per Du pflegen, das Team und die Buchhandlung zeigen kann.“
Buchhandlung zeigen ist das Stichwort: Maria-Christina Piwowarski, Buchhändlerin bei Ocelot in Berlin-Mitte, muss ihr telefonisches Interview verschieben, da sie noch damit beschäftigt ist, einen virtuellen Rundgang durch den Laden auf Instagram zu posten. „Ich bekomme im Sekundentakt Nachrichten“, sagt sie kurz darauf. „Die Leute schreiben, wie sehr sie sich freuen, weil es ihnen das Gefühl gibt, vor Ort zu sein.“
Piwowarski bezeichnet Social Media als „erweitertes Schaufenster, das über den regionalen Bereich hinausgeht“. Sie findet deutliche Worte. „Das rettet uns jetzt. Auch viele, die nicht zu unserer Laufkundschaft gehören, nutzen unseren Shop, weil sie uns kennen und unterstützen wollen.“
Ähnliches erlebt die Nürnberger Buchhandlung Jakob, für die Lilly Ludwig und Lisa Neher unter @bookupwithjakob posten. Es gibt sogar internationale Bestellungen, von der Schweiz bis nach Schweden. „Das sind nicht nur Stammkund:innen dabei, sondern auch viele neue“, sagt Ludwig, „und von denen kommen viele über Instagram.“
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Instagram jetzt genutzt werden kann. Valerius etwa gibt gemeinsam mit der Autorin Mareike Fallwickl während des Lockdown jeden Montag per Livevideo Buchtipps auf dem offiziellen Kanal von Hugendubel, die er als Vorbild in Sachen Instagram-Pflege sieht: „Sie haben ein durchdachtes Konzept, wissen, wie sie ihr Zielpublikum ansprechen, und haben ihren Feed in den Hugendubel-Farben gehalten.“
In Hamburg-Eimsbüttel zeigt man sich als Reaktion auf Corona kreativ. Die Buchhandlung Lüders entwarf kurzerhand ein „Survival Kit“. „Die Kund:innen geben uns ihre Preisvorstellung und, wenn sie möchten, Anhaltspunkte, was sie gerne lesen. Wir stellen dann Boxen für sie zusammen“, erläutert Inhaberin Ragna Lüders. Beworben wird das Kit vor allem auf Instagram, ein Medium, das kaum eine Buchhandlung so gekonnt nutzt wie Lüders.
Sie steckt viel Herzblut rein
Die Fotos kunstvoll zu inszenieren bedeutet hohen Aufwand. „Für einen Post benötige ich bis zu einer Stunde.“ Zeit, die Lüders gerne investiert. „Ich möchte, dass die Menschen glücklicher aus der Buchhandlung gehen, als sie reingekommen sind. Ein ähnliches Gefühl versuche ich, auf Instagram zu vermitteln.“
Allerdings: „Ich stecke da genauso viel Herzblut rein wie in meinen Job als Buchhändlerin. Die Intention, Instagram nur deswegen zu betreiben, um Kund:innen zu gewinnen, kann ich mir schwer vorstellen.“
Neher und Ludwig posten unterdessen Buchempfehlungen auf IGTV, der App-eigenen Videoplattform. „Beratung macht die kleinen Buchhandlungen aus“, erläutert Ludwig. „Wir wollen jetzt bewusst von nur Foto und Text weg, weil da das Persönliche verloren geht, anders als im Video“, ergänzt ihre Kollegin.
Damit die Leute zu Hause bleiben
Auch das Team des Ocelot lädt jeden Tag ein IGTV-Video hoch. „Wir versuchen, Inspiration für den Einkauf im Webshop zu bieten, damit die Leute zu Hause bleiben“, erläutert Piwowarski. Die Berliner Buchhandlung hat nach wie vor geöffnet – allerdings mit einem Vorbau aus den umfunktionierten Tischen des Cafébereichs, damit die Menschen im Eingang bleiben.
Und wie startet man mit einem Instagram-Account? Alle fünf Buchhändler:innen empfehlen, das einfach zu machen. „Ich hatte keine Technikkenntnisse, als ich anfing. Das war alles learning by doing“, erinnert sich Valerius.
Maria-Christina Piwowarski sieht das ähnlich. „Das ist keine OP am offenen Herzen. Das Risiko ist sehr gering, es kostet nichts und nach ein paar Posts hören die Hände auf zu zittern.“
Zeigt euer Gesicht
Nicht perfekt zu sein, ist sogar eher ein Vorteil. „Wir stellen uns beim Dreh vor, die Kamera wäre ein Kunde“, sagen die Nürnbergerinnen Ludwig und Neher. „Unsere Follower:innen schätzen die Authentizität.“ Für Ragna Lüders ist das ebenfalls wichtig. „Man muss ehrlich über die Bücher sprechen und nicht einfach nur sagen: Das ist toll, um es zu verkaufen.“ Und sie rät, Personen zu zeigen.
Das sieht Valerius auch so: „Zeigt euer Gesicht, präsentiert euch als Buchhändler:innen!“ Piwowarski hat ähnliche Tipps parat. „Zu Beginn sollte man die einzelnen Mitarbeiter:inen vorstellen, was sie lesen und begeistert, um aus der Anonymität rauszukommen.“
Loslegen lautet also die Devise. Spätestens in der Corona-Krise wird sich zeigen, wie resilient der hiesige Buchhandel ist. Oder, um es mit den Worten von Lilly Ludwig zu sagen: „Das ist die historische Chance dieser Misere – ein stärkeres Bewusstsein zu schaffen und Wertschätzung dafür zu bekommen, was Buchhändler:innen alles leisten.“
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