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Kunst wird nie abgesagt

Die Art Basel Hong Kong findet bis zum 25. März nun virtuell statt

Man geht jetzt virtuelle Wege – und streamt, bis die Augen tränen

Von Annegret Erhard

Lange waren sich die Messeveranstalter nicht im Klaren, ob sie die Art Basel Hong Kong, ein Megaevent in der Agenda der Aussteller und Sammler, absagen sollten. Unbeugsame Demonstranten, extrem gewaltbereite Polizisten ließen um die Sicherheit, der Besucher in der 7,5-Millionen-Metropole bangen. Doch – zack! – war alles anders. Das Virus ließ den Zaudernden keine Wahl. Anfang März noch wollte die weltgrößte und wichtigste Kunst- und Antiquitätenmesse Tefaf in Maastricht den souveränen Auftritt zelebrieren, musste jedoch nach ein paar Tagen vorzeitig schließen.

„Fair Fatigue“, mit einem eleganten Seufzer versicherte man sich in jüngerer Zeit nahezu inflationär, man wolle die Strapazen und Kosten eines Messeauftritts eigentlich einschränken. Eigentlich. Denn für viele Galerien (und deren Künstler) hängt alles von den Messebeteiligungen ab: Umsatz, Marktpräsenz etc. Gleichzeitig können sie einer Galerie das Kreuz brechen mit hohen Kosten, wenn in den wenigen Tagen nichts passiert.

Auch die ganz große Begeisterung der Investoren, Sammler und Museumsleute ist abgeflaut. Es sind zu viele Messen an zu vielen Orten. Das hat sich nun fürs Erste erledigt, denn die Messen sind nun reihenweise bis in den Frühsommer hinein abgesagt. Art Cologne, Art Brussels, Frieze, New York, Tefaf Spring, New York, Art Dubai und all die anderen – verschoben auf den Herbst, gar auf das nächste Jahr.

Man geht jetzt virtuelle Wege – und streamt, bis die Augen tränen. Gefühlt alle coronamäßig geschlossenen Galerien sagen Vernissagen ab und bieten online Rundgänge durch ihre aktuellen Ausstellungen an.

Die Art Basel Hong Kong versammelt exakt in dem Zeitraum, in dem die reale Messe stattgefunden hätte, gut 90 Prozent der Aussteller mit Werken im Gesamtwert von 250 Millionen US-Dollar in 231 Online Viewing Rooms. Die Bilder oder Objekte, die nach Hongkong verfrachtet worden wären, werden nun digital an einer messetypischen Stellwand platziert, im linken Bildausschnitt ein schmaler Durchblick, der Räumlichkeit suggeriert, davor eine Sitzbank, wodurch das Größenverhältnis des Kunstwerks dargestellt wird. Per Klick wechselt das Kunstwerk, dazu die Preisangaben (manches ist tatsächlich schon verkauft). Über weitere Klicks kann schließlich der Kauf abgewickelt werden. Diese Neuerung war übrigens schon im Vorfeld als Sidekick anvisiert und übernimmt nun im Lichte der Corona-Katastrophe die Hauptrolle.

Weshalb manche Galerien einen Preisrahmen für ein Kunstwerk angeben, ist in Zeiten dringend erforderlicher Transparenz in Kunstgeschäften dennoch nicht nachvollziehbar. Ein Chagall-Bildnis mit einem Preis von 500.000 bis 1 Million US-Dollar (Thomas, München) zu offerieren, ist da eher kontraproduktiv. Oder eine 2 mal 1,5 Meter große Tintenmalerei der französischen Künstlerin Latifa Echakhch, die auf der nächsten Kunst-Biennale in Venedig die Schweiz vertreten soll, für 50.001 bis 100.000 US-Dollar (Kamel Mennour, Paris). Eine Galerie ist kein Auktionshaus, in dem der Meistbietende den Zuschlag bekommt. Oder doch?

Aufregender ist jedoch, dass diese Art Kunst zu betrachten, gar zu kaufen, sich so kongruent und logisch mit den Erfordernissen in Zeiten verknüpfen lässt, in denen man das Haus nicht verlassen soll, nur virtuell arbeiten und sich keinem menschlichen Wesen nähern darf. Das hat eine elementare Wucht. Abgesehen davon, dass eine derartige Form eines Messebesuchs ziemlich fahrig machen kann, hat diese absolute Virtualität die Qualität eines Schlags in die Kniekehlen. Sind wir jetzt draußen? Schweben wir im Orbit, bedroht von Virenkillern? Oder sind wir vielmehr geerdet? Müssen nicht überall hin, nur um dabei zu sein. Machen endlich mal wieder einen Prioritätencheck. Prüfen, was Maximierung wirklich meint.

Selbstverständlich sind wir erfahren und bewegen uns in den digitalen Kommunikationstechnologien wie Fische im Wasser, wir haben unsere Wahrnehmungs- und Sehgewohnheiten längst schon darauf abgestimmt. Dass nun die erhabene Kunstbetrachtung die Kaufentscheidung vor dem Objekt abgelöst wird durch ein nervöses Hin und Her zwischen Messestreaming und Börsennachrichten, zwischen Homeoffice und krisengesteuerter Immobilität, stellt trotzdem viel Überkommenes auf den Prüfstand.

Der kommerzielle Kunstbetrieb wird fraglos schrumpfen, nicht alle können die durch große Umsatzverluste zugespitzten, finanziellen Herausforderungen stemmen. Manche Beobachter sehen das als überfällige Marktbereinigung, andere bedauern den Verlust von Vielfalt, Wagemut und Innovationskraft. Derweil könnte man sich im tapferen Pfeifen im Wald üben, zuversichtlich intoniert von der Galerie White Space, Beijing, die ihren Auftritt in den Art Basel Online Rooms mit dem Motto „Something still went right“ kommentiert und hinzufügt: „Art never gets canceled“. Klingt doch gut.

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