piwik no script img

Sorge um Israels Demokratie

Wegen Corona kommt vorerst das Parlament nicht mehr zusammen

Von Jannis Hagmann

Die Corona-Krise hat in Israel eine Demokratiedebatte entfacht. Nach mehreren umstrittenen Maßnahmen der Übergangsregierung unter Benjamin Netanjahu sorgt nun ein weiterer Beschluss für Zündstoff: Parlamentspräsident Juli Edelstein von Netanjahus Likud-Partei hat die Knesset am Mittwoch bis nächste Woche vertagt – wegen verfahrenstechnischer Probleme aufgrund der Corona-Pandemie, wie er sagte. Er habe aber „nicht die Absicht, das hier in die Länge zu ziehen“. Auch die Wahl seines Nachfolgers schob er auf.

Das Parlament wollte diese Woche an Gesetzen zur Absetzung Netanjahus arbeiten, der wegen Korruption angeklagt ist. Benny Gantz vom oppositionellen Blau-Weiß-Bündnis warf Edelstein deshalb vor, auf Anweisung das Parlament lahmzulegen. Auch Präsident Reuven Rivlin mahnte: „Wir dürfen diese Krise nicht unser demokratisches System schädigen lassen.“

In sozialen Netzwerken kursierten am Donnerstag Videos eines Autokonvois in Jerusalem, in dem Hunderte Demonstranten aus Protest zur Knesset fuhren. Laut Medienberichten wurden sie von den Behörden gestoppt.

Wegen Corona ist auch der Beginn von Netanjahus Korruptionsprozess in den Mai verschoben worden. Die Regierung hatte den Notstand ausgerufen und Gerichte weitgehend geschlossen. „Ihr lebt nicht länger in einer Demokratie“, reagierte Blau-Weiß-Politiker Jair Lapid darauf. Israel hat am 2. März gewählt, doch hat keine Partei eine regierungsfähige Mehrheit hinter sich.

Für Streit sorgte auch ein Entschluss, der es dem Geheimdienst erlaubt, alle Israelis über ihre Handys rund um die Uhr zu orten. Für die Maßnahme, die Netanjahu ebenfalls mit der Corona-Krise begründete, ist kein Gerichtsentscheid notwendig.

meinung + diskussion

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen