corona in hamburg: „Gewalt gegen Frauen kann zunehmen“
Zentrale Notaufnahme der Hamburger Frauenhäuser: Notruf: 040 800041000, Mail:schutz@24-7-frauenhaeuser-hh.de, Internet: 24-7-frauenhaeuser-hh.de
Interview Sarah Zaheer
taz: Frau Ziemba, wie kann sich häusliche Quarantäne auf Familien und Partnerschaften auswirken?
Anika Ziemba: Mindestens jede vierte Frau erfährt in ihrem Leben Gewalt, oft durch Partner oder Ex-Partner. Das Zuhause gilt für viele Frauen per se nicht als sicherer Ort, was durch die aktuelle Stresssituation verschärft wird. Die Zeitfenster, wo diese Frauen ihre Ruhe haben, beispielsweise bei der Arbeit, gibt es nicht mehr. Auch durch Verunsicherung erhöht sich das Eskalationspotenzial.
Sie rechnen also mit mehr hilfesuchenden Frauen?
Ja. Das ist ein Problem, denn die Hamburger Frauenhäuser sind auch sonst immer voll. Durch die 24/7-Notanlaufstelle ist die Aufnahme sichergestellt, aber oft müssen Frauen weitervermittelt werden. Dadurch, dass Termine wie Wohnungsbesichtigungen ausfallen, finden Schritte, um das Frauenhaus wieder zu verlassen, derzeit nicht statt.
Welche Maßnahmen mussten Sie bereits wegen des Virus ergreifen?
Momentan arbeiten wir in Tandems, zu verkürzten Zeiten und mit Hygienemaßnahmen. In der Notaufnahme läuft der Betrieb, soweit es geht, normal. Es finden aber mehr telefonische Vermittlungen statt. Ansonsten raten wir den Bewohnerinnen, wenig rauszugehen und sich nicht in Gruppen aufzuhalten, was aufgrund der räumlichen Enge eines Frauenhauses nicht einfach ist.
Können Frauen, die Symptome zeigen oder aus Risikogebieten kommen, isoliert werden?
Anika Ziemba, 31, arbeitet im 4. Hamburger Frauenhaus im Bereich Beratung und Begleitung von Frauen und Kindern.
Das hängt von der Kapazität und dem räumlichen Aufbau des Hauses ab. Frauen, die bereits bei uns leben und Symptome zeigen, können wir übergangsweise versorgen. Die Frage, ob wir Verdachtsfälle aufnehmen, stellt sich aber nicht, weil wir komplett voll sind.
Wie werden Personen, die zur Risikogruppe gehören, geschützt?
Betroffene Kolleginnen arbeiten gerade im Homeoffice. Wir müssen aber auch für die Sicherheit der bereits im Haus lebenden Personen sorgen, das schließt die Aufnahme von konkreten Verdachtsfällen aus. Natürlich darf das nicht heißen, dass gewaltbetroffene Frauen keinen Schutz erhalten. Hier braucht es Lösungen der Stadt, Frauen mit konkretem Infektionsverdacht sinnvoll unterzubringen. Es wäre eine Katastrophe, wenn die Zahl von Femiziden durch Corona ansteigt.
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