Bannich wat los anne Hamme

Debüt auf Plattdeutsch: Mit „Boot un Dood“ hat der Musiker Sandro Giampietro im Bremer Hinterland eine Krimikomödie gedreht

Plötzlich unter Verdacht: Eigentlich will Hendrik (Erik Voß, r.) doch nur den heimischen Haussegen wieder gerade rücken Foto: Gloria-studios

Von Wilfried Hippen

„Dat Bout is klaut, glöv mi dat!“ Mit diesem Satz beginnt die Verbrecherjagd. Denn in der Krimikomödie „Boot un Dood“ muss zwar auch ein Doppelmord aufgeklärt werden – aber es geht vor allem um die Suche nach einem geklauten gelben Paddelboot. Es war das Hochzeitsgeschenk von Hendrik, und der Haussegen­ in dessen Ehe hängt solange schief, bis der Kahn wieder da ist, also „touhus“. Weil Hendrik (Erik Voß) aber so aufgescheucht durch die nord-niedersächische Gegend flattert, wird er prompt zum Hauptverdächtigen in einem Mordfall. Das glaubt zumindest der Inspektor aus Hannover,­ dessen Ahnungslosigkeit sich aber auch sofort zeigt: Er spricht Hochdeutsch – als einziger im ganzen Film.

Viel mehr muss und soll über den Plot von „Boot un Dood“ gar nicht verraten werden. Erst mal ist es halt einer der vielen zur Zeit so beliebten Regional­krimis, oder genauer:­ eine regionale­ Krimikomödie. Der pensionierte Physiklehrer­ Günter­ Ihmels­ hat einige von diesen Romanen geschrieben, die alle im Hinterland von Bremen­ spielen.­ Und diese Geschichte wollte er auch gerne ins Kino bringen. So kam es dazu, dass ausgerechnet Regie-Debütant mit Namen Sandro­ Giampietro­ einen plattdeutschen Regionalkrimi inszeniert hat.

Giampietro ist in Bremen geboren und lebt im nah gelegenen Örtchen Hagen, aber Platt spricht er nicht. Aber er ist Musiker, hat lange als Gitarrist in der Band von Helge Schneider gespielt und betreibt auf dem platten Land ein eigenes Tonstudio. Dort nahm Günter Ihmels die Hörbuch-Ausgaben seiner beiden Romane auf, zusammen träumten der Autor und der Produzent von einer Kinoadaption – und drei Jahre später ist sie tatsächlich fertig.

Was das Filmemachen angeht, ist Giampietro, Anfang 50, Autodidakt. Er hat ein paar Musik­videos gemacht und zusammen mit Ihmels auch schon einen Kurzfilm. Danach traute er sich zu, alleine einen Langfilm zu stemmen: Bei „Boot un Dood“ ist er Regisseur, Produzent, Kameramann, hat am Drehbuch mitgeschrieben, den Film auch selbst geschnitten; dass auch die Musik von ihm kommt: Ehrensache.­ Insofern ist die kleine Krimikomödie ein lupenreiner Autorenfilm, mit 75.000 Euro von der Förder­anstalt Nordmedia alles andere als üppig finanziert. Profis sind gleichwohl die Hauptdarsteller­Innen, die sonst auf plattdeutschen Bühnen spielen, und sie wurden sogar ordentlich bezahlt – aber für mehr war dann auch kaum Geld da.

Also halfen viele für wenig oder gar keinen Lohn. Die Drehgenehmigungen in Worpswede, Cuxhaven und Osterholz-Scharmbeck kosteten nichts, aber in Bremerhaven gab es damit Schwierigkeiten, also wurde dort so wenig wie möglich gedreht.­ Dass er schnell und zu möglichst niedrigen Kosten entstand, merkt man dem Film an, aber genau das macht auch seinen Charme aus: Das Licht ist eben so, wie das Wetter am jeweiligen Drehtag es möglich machte, komplizierte Szenenauflösungen waren Giampietros­ Sache auch nicht. Aber es gibt, andererseits, keine peinlichen Schnitzer. Der Film ist solide gebaut und sieht eben nicht so normiert und poliert aus wie etwa entsprechende Fernsehproduktionen. Der NDR wollte sich übrigens nicht beteiligen: Dort sah man seltsamerweise keinen Bedarf an einer rein plattdeutschen Produktion.

Dabei ist das Platt im Film so leicht verständlich, dass die Version mit Untertiteln eigentlich überflüssig ist. Zum einen haben Ihmels und Giampietro­ haben nicht versucht, die Dialoge mit seltenen oder kuriosen­ Vokabeln­ zu bestücken.­ Und weil zum anderen die HauptdarstellerInnen in ganz Nord­deutschland­ zusammengesucht wurden, sprechen sie ein örtlich kaum zu verortendes Aller­weltsplatt; nicht ganz so dünn wie beim Ohnsorg-Theater,­ aber auch nicht saftig genug, als dass Dialog­stellen überraschen und im Gedächtnis bleiben würden.

Dass er schnell und mit wenig Geld entstand, merkt man dem Film an, aber genau das macht seinen Charme aus

Ehrgeizig wurde Giampietro immer dann, wenn es in seinem Film um Autos geht, um Motorräder, Fahrräder. Boote oder Fähren: Es wird viel gefahren in „Boot un Doot“, der Fuhrpark bestand aus alten Autos, wie einem VW-Käfer, einem Golf II und einem VW-Bus. Es wird aber auch viel herumgepaddelt, auf dem Flüsschen Hamme. Aufwändigste Aufnahme des ganzen Films ist eine mit einer Flugdrohne gefilmte Plansequenz: Ein Motorradfahrer verfolgt einen­ Lieferwagen. Als dieser auf einen Bauernhof einbiegt, fliegt die Kamera übers Hausdach und zeigt, wie das Auto ausgeladen wird und der Motorrad­fahrer sich hinter einer Hausecke versteckt.

Im Interview rationalisiert Giampietro seinen Fahrzeug-Fetischismus mit dem Satz: „Da kann ich schön Musik verbraten.“­ Tatsächlich hat er viel eigene Musik in den Film eingebaut. Der Titelsong ist im Italo-Western-Stil auf der Gitarre­ gespielt, und weil es offenbar kein plattdeutsches Geburtstagslied gibt, hat Giampietro für den Film eins komponiert. Und der inzwischen 80-jährige Schlagzeuger und Schauspieler Peter Thoms, mit dem Giampietro­ lange bei Helge Schneider spielte, gibt hier einen finsteren Gastwirt, der in seiner Schankstube lieber­ auf seinem Drumset herumtrommelt­ als etwa zu bedienen.

Die Krimihandlung ist dem Film nicht wirklich wichtig, bildet eher den Rahmen für eine Reihe verschrobener, sehr norddeutscher Figuren. Den unvermeidlichen Kommissar gibt mit schlabberigem Trenchcoat und allwissender Herzlichkeit der Schauspieler, Moderator und Autor Dirk Böhling als eine Art Parodie auf den TV-Schnüffler Columbo, gespielt einst von Peter­ Falk. Hatte der aber stets eine Zigarre am Mund, ist es hier – eine Karotte. Ja, das ist ein wenig­ platt, aber subtilerer Humor wäre wohl nur ein Stilbruch gewesen.

Boot un Dood“. Regie: Sandro Giampietro. Mit Helge Tramsen, Dirk Böhling u. a.; D 2019,

90 Minuten

Die Premiere war für den morgigen­ Freitag im Bremer City 46 geplant, wurde aber – so wie Vorführungen in Hamburg, Oldenburg, Bremerhaven und Osterholz-Scharmbeck – wegen der Coronakrise auf unbestimmte Zeit verschoben.