berliner szenen: Der Lockruf des Milliardärs
Von „Art and Champagne“ ist in der Einladung der russischen Neoexpressionistin die Rede und in der weiteren Beschreibung auch etwas von der Fashion Week. Um mich kleidungstechnisch einzustimmen, google ich die in der Einladung angekündigten „Designer“. Einer scheint beim Neuen Deutschland aktiv gewesen zu sein. Nur der letzte Name liefert etwas über Kunst.
Berlin-Grunewald. Einzige Assoziation: „Super zum Inlineskaten“ – wie ein Kumpel einst schwärmte. (Neben der Autobahn zu bladen, das kann nur ein Deutscher toll finden.) Offenbar bin ich damals auf der gegenüberliegenden Seite aus der S-Bahn-Unterführung hinaus; auf dieser Seite reihen sich Villen aneinander.
Die Terrasse des Löwenpalais ist zum Brechen voll. In seinen heißen Sälen tummeln sich Leopardenstrumpfhosen, Strohhüte, Sonnenbrillen, Salamanderstiefel und Cocktailkleider. Buntes Durcheinander, von den Zwanzigern bis zu den Achtzigern (gemeint sind nicht die Jahrzehnte, sondern das Alter der Gäste). Hätte ich nur meine Perlenketten angelassen!
Die goldenen, mehrere Meter hohen Wände sind ebenso eklektisch mit Kunstwerken zugepflastert. Kein einziger roter Punkt. Vielleicht wird der Verkauf hier diskreter gehandhabt?
Ein Weißhaariger zwinkert mir im Vorbeigehen etwas umständlich, aber unmissverständlich zu. War das der Lockruf des Grunewalder Milliardärs (Croesus viridis)? Ich vermute, er wird heute Abend am ehesten mit einer Statue für 21.700 Euro nach Hause gehen.
Ich weihe erst einmal einen jungen Fotografen mit Melone – der seine an Firmenteppiche angepasste Kunst bis zu der steuerfreien Grenze von 5.000 Euro leasen will – in Bourdieus Theorie vom autonomen Kunstfeld ein. Und verpasse dadurch den Bus zum Kotti. Emmi K.
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