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: Erster US-Luftangriff auf Taliban nach Abkommen

Die afghanische Regierung und die Taliban können sich nicht über die Reihenfolge von Verhandlungen und Gefangenenaustausch einigen. Nun ist die Gewalt wieder eskaliert

Das Neue

Nur wenige Stunden nach dem „sehr guten Gespräch“ (O-Ton Donald Trump) des US-Präsidenten mit dem politischen Führer der afghanischen Taliban am Telefon und nur wenige Tage nach Unterzeichnung des Abkommen mit den aufständischen Islamisten in Katar hat das US-Militär einen ersten Luftangriff gegen deren Stellungen geflogen. Es sei eine defensive Maßnahme, um einen Angriff der Taliban in der südlichen Unruheprovinz Helmand auf afghanische Streitkräfte zu beenden, sagte ein US-Militärsprecher. „Dies war unser erster Schlag gegen die Taliban in elf Tagen.“ Über Opfer ist noch nichts bekannt.

Der Kontext

Am Samstag hatten die USA nach langen Verhandlungen mit den Taliban ein Abkommen geschlossen. Es soll einen stufenweisen Abzug der US-Truppen aus Afghanistan einleiten und zu innerafghanischen Friedensgesprächen führen. Die Taliban sagten im Gegenzug zu, künftig keinen Terrorgruppen mehr Unterschlupf im Land zu gewähren.

Der Unterzeichnung ging eine einwöchige Phase verringerter Gewalt voran, in der sich beide Seiten und Afghanistans Sicherheitskräfte militärisch zurückhielten. An dem Abkommen war jedoch die Regierung in Kabul nicht beteiligt. Trotzdem sieht es die Freilassung von 5.000 gefangenen Taliban durch die Regierung vor, im Gegenzug sollen diese rund 1.000 gefangene Militärs und Polizisten freilassen. Doch streiten beide Seiten, bevor ihre bilateralen Verhandlungen überhaupt begonnen haben. Die Taliban sehen die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer als Vorbedingung an, die Regierung lehnt aber den Gefangenenaustausch vor Verhandlungsbeginn ab. Die Taliban kündigten deshalb die Teil-Waffenruhe mit den Streitkräften auf und starteten seitdem mindestens 76 Angriffe. Dabei starben mindestens 20 Personen.

Die Reaktionen

Der US-Militärsprecher Sonny Legget erkläre, die Taliban scheinen die durch das Friedensabkommen eröffnete Chance auf Frieden „vergeuden“ zu wollen. Sie schienen den Wunsch der Bevölkerung nach Frieden zu ignorieren. Der Sprecher des politischen Büros der Taliban in Doha, Suhail Schahin, twitterte laut dpa, dass die Taliban nach und nach alle Teile des Abkommens umsetzen werden, um die Intensität des Krieges zu reduzieren. „Die andere Seite“ solle aber ebenfalls Hürden aus dem Weg räumen. Das könnte sich auf die Freilassung der 5.000 gefangenen Taliban beziehen. Den US-Luftangriff haben die Taliban bislang nicht kommentiert.

Die Konsequenz

Die neue Gewalteskalation gefährdet den ursprünglich schon für den 10. März vorgesehenen Beginn von Verhandlungen zwischen Regierung und Aufständischen. Die Regierung fürchtet, bei einem US-Rückzug bald den Taliban allein ausgeliefert zu sein. Der Luftangriff ist deshalb nicht nur ein Signal an die Taliban, dass Angriffe nicht geduldet werden, sondern auch ein Signal an die afghanische Regierung und ihre Verbündeten, dass sie weiter mit US-Feuerschutz rechnen können.

Sven Hansen