: Minderheit will in den Reichstag
Der SSW überlegt, bei der Bundestagswahl zu kandidieren
Das politische Berlin sollte langsam anfangen, eine neue Buchstabenkombination zu lernen: SSW. Das steht nicht für Schwangerschaftswoche, sondern für den Südschleswigschen Wählerverband, der aus dem Norden Schleswig-Holsteins zum Sprung in den Bundestag ansetzt. Die Chancen stehen recht gut, dass die Partei der dänischen und friesischen Minderheiten 2021 eine Person ins Parlament entsenden kann. In der kommenden Woche beraten die Mitglieder bei einer Regionalkonferenz in Husum, ob sie das Wagnis Wahlkampf eingehen wollen.
Von 1949 bis 1953 saß bereits einmal ein SSW-Abgeordneter im Bundestag. Bis 1961 nahm die Partei an den Wahlen teil, verzichtete danach darauf – die Chancen schienen zu gering, der Aufwand zu groß. Doch je zersplitterter die Parteienlandschaft, desto einfacher wird es für den SSW.
Als Minderheitenpartei genießt er einen Sonderstatus: Er ist von der Fünf-Prozent-Klausel befreit. Dennoch braucht auch der SSW eine Mindest-Stimmenzahl. Dieser Wert hängt von der Wahlbeteiligung und der Verteilung der Wähler*innen auf alle Parteien ab. Zwischen 50.000 und 80.000 Kreuze auf dem Zettel könnten 2021 reichen, schätzt der SSW. In den Landtag zog die Partei im Jahr 2012 mit rund 60.000 und 2017 mit 49.000 Zweitstimmen ein. Die Partei würde nur in Schleswig-Holstein antreten.
In einem Papier hat die Partei Pro- und Kontra-Argumente gesammelt: Klappt der Sprung in den Bundestag, würde das mehr Geld, mehr Personal und mehr Aufmerksamkeit bedeuten. Im Bundestag könnte sich der SSW gezielt für Minderheitenthemen einsetzen. Nachteile liegen im hohen Aufwand für die rund 3.600 Mitglieder, die einen zusätzlichen Wahlkampf stemmen müssten, und in den finanzielle Risiken – scheiterte das Projekt, bleibt die Partei auf den Kosten für Plakate und Veranstaltungen sitzen. Dennoch haben sich die Parteispitze, die Nachwuchsorganisationen und eine Mehrheit der Mitglieder bereits dafür ausgesprochen. Esther Geißlinger
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen