Die Linkspartei legt leicht zu – aber nicht mehr

Eine Belastung war der junge Kandidat Tom Radtke, der mit rechten Sprüchen provozierte

Aus Hamburg Kaija Kutter

Die Linke wollte in Hamburg den Mietendeckel einführen und Bus und Bahn „kostenlos machen“. Als Wahlziel hatte sie mindestens 10 Prozent ausgegeben. Laut Hochrechnungen blieb sie am Sonntag knapp darunter, trotzdem bejubelte Spitzenkandidatin Cansu Özdemir das Ergebnis. „Das stabile Ergebnis ist eine Bestätigung für unsere Arbeit. Wir sind die einzige Oppositionspartei, die zugelegt hat“, sagte sie. Im Vergleich zum Wahlergebnis von 2015 (8,5 Prozent) hat die Linke mit rund 9 Prozent wohl zumindest leichte Zuwächse.

Zugesetzt hatte der Partei zuletzt ein echtes Problem – die Causa Tom Radtke. Der 18-jährige Schüler, ein Klimaaktivist, stand auf Platz 20 der Linke-Liste und provozierte seit vier Wochen mit kruden Sprüchen und Aktionen, verglich den Klimawandel mit dem Holocaust. Am Samstag ließ er sich mit einer Fahne der rechtsradikalen „Identitären“ in der Gedenkstätte des von den Nazis ermordeten Kommunisten Ernst Thälmann fotografieren.

Gegen Radkte läuft ein Parteiausschlussverfahren. Käme er ins Parlament, würde er nicht Teil der Linke-Fraktion. Wahrscheinlich ist dieses Szenario aber nicht: Radkte schafft es von Platz 20 nur in die Bürgerschaft, wenn er viele individuelle Personenstimmen bekommen hat. Die Auszählung dieser Stimmen dauerte bei Redaktionsschluss noch an.

Abgesehen davon hat die Partei über fünf Jahre beeindruckend linke Politik gemacht. Jüngster Scoop war eine Anfrage des Abgeordneten Norbert Hackbusch zur „Cum-Ex-Affäre“, die die regierende SPD in Erklärungsnot brachte, weil sie ein Treffen zwischen Ex-Bürgermeister Olaf Scholz und dem Chef der Warburg-Bank verschwieg.

„Wir haben aus der Opposition heraus einiges bewirkt“, sagte Özdemir. Die Linke sei so etwas wie das „soziale Gewissen“ der Stadt und gucke dahin, wo die anderen oft nicht hingucken. In der Kita- und Sozialpolitik, bei den Protesten gegen den G20-Gipfel und der Verhinderung der Olympia-Bewerbung war die Fraktion der nützliche parlamentarische Arm für Initiativen.

Trotzdem tat sich die Partei jetzt schwerer als 2019 in Bremen, wo sie 11,3 Prozent bekam. „Die Linke hat ihre Wählerschaft in der Stadt“, sagte der Politologe Kamil Marcinkiewicz. „Aber es gelingt ihr nicht, mehr Menschen zu überzeugen.“

Er gehe davon aus, dass wegen Tom Radkte „einige Linke zu Hause bleiben“, sagte Marcinkiewicz. Er gehört zu einem Team der Uni Hamburg, das im Januar und Februar eine Umfrage durchführte. Demnach gewinnt die Linke gegenüber 2015 viele Nichtwähler und ehemalige Grünen-Wähler hinzu, verliert aber im gleichen Maße an Nichtwähler, Kleinstparteien und die SPD. Hinzu kommt: Rot-Rot-Grün wie in Bremen stand in Hamburg nicht zur Debatte.