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heute in bremen„Überlebende müssen Folter selbst beweisen“

Foto: MFH Bochum

Bianca Schmolze, 41, ist Menschenrechtsexpertin der Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum.

Interview Sophie Lahusen

taz: Frau Schmolze, Sie arbeiten mit Folterüberlebenden. Wie hilft Ihnen das Istanbul-Protokoll dabei?

Bianca Schmolze: Das Istanbul-Protokoll ist ein UN-Manual zur gerichtsfesten Dokumentation von Folterfolgen. Es wurde 1996 von forensischen Experten erarbeitet; die UN hat es als internationalen Standard anerkannt. Vor allem seit 2015 mit der Ankunft von vielen Geflüchteten ist es sehr relevant, denn viele Geflüchtete sind Folterüberlebende. Leider ist das Perfide am deutschen Asylverfahren, dass sie die Folter selbst beweisen müssen. Aufgrund von Traumata können Folterüberlebende ihre Erfahrungen aber oft gar nicht oder nur fragmentiert schildern.

Ist Erfahrung von Folter ein Grund zur Vergabe von Asyl? Folter an sich ist erst mal kein Asylgrund, doch kann eine Abschiebung verhindert werden, wenn der Person im Herkunftsland erneut Folter oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Auch der gesundheitliche Zustand aufgrund einer Traumatisierung kann eine Abschiebung verhindern, daher ist es wichtig Folterfolgen frühzeitig und interdisziplinär zu dokumentieren.

Wie kann das Istanbul-Protokoll helfen?

Vortrag “Das Istanbul-Protokoll und die Notwendigkeit der Dokumentation von Folterfolgen”, 19 Uhr, Villa Ichon, Goetheplatz 4

Wir als psychosoziale Einrichtungen für Überlebende von Folter können mit Psycholog*innen und Gerichtsmediziner*innen anhand des Istanbul-Protokolls interdisziplinäre Stellungnahmen erarbeiten, mit denen wir nachweisen, dass der Klient oder die Klientin körperliche oder seelische Folgen von Folter aufweist. Diese Stellungnahmen können zu einer Verbesserung des Aufenthaltsstatus führen, sie ermöglichen aber auch rechtliche Schritte gegen die Täter.

Reicht das?

Dass das Istanbul-Protokoll überhaupt Anwendung findet, liegt vor allem an unserer Arbeit in den psychosozialen Zentren. Die Bundesregierung tut hier viel zu wenig, vor allem was die frühzeitige Erkennung von Folterüberlebenden wie auch die Finanzierung spezialisierter Einrichtungen angeht. Dabei hat sie eine Verpflichtung, einen adäquaten Zugang zu Rehabilitation zu ermöglichen. Ohne die Arbeit von Flüchtlingshilfen würden die Betroffenen ihre Rechte nicht kennen, aber das scheint leider im Interesse der Bundesregierung.

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