: Tarzan und die Roten Teufel
Der 1. FC Kaiserslautern hat eigentlich schon genug Probleme in der verhassten 3. Liga, und jetzt gibt es auch noch Trouble mit Vereinslegende und Torwarttrainer Gerry Ehrmann
Aus Kaiserslautern Frank Hellmann
In den guten alten Zeiten sind jedes Jahr im März wahre Aktenberge in der Otto-Fleck-Schneise im Frankfurter Stadtwald abgeladen worden. Früher war es eben üblich, dass die Vereine ihre Lizenzierungsunterlagen in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) persönlich vorbeibrachten. Soeren Oliver Voigt, der neue Geschäftsführer beim 1. FC Kaiserslautern, ist heilfroh, dass der Vorgang inzwischen quasi auf Knopfdruck erledigt werden kann. „Wir müssen die entsprechenden Dateien nur hochladen.“
Am Freitag hat der 2018 in die 3. Liga abgestiegene Traditionsverein den entsprechenden Antrag übermittelt. Voigt, im Dezember vergangenen Jahres eingestellt, nachdem er von 2007 bis 2019 für den Ligagefährten und Leidensgenossen Eintracht Braunschweig arbeitete, verhehlt nicht, dass es große Lücken gibt. Wieder einmal müssen die Pfälzer den Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bis Mai nachreichen. „Das ist unser größtes Problem“, sagt der 50-Jährige.
Die Liquiditätslücke bis zum Ende des nächsten Geschäftsjahres beträgt rund 11 Millionen Euro. Die Stadionmiete ist längst von ursprünglich 3,2 Millionen Euro auf nur noch 425.000 Euro reduziert, soll aber nächste Saison wieder auf 625.000 Euro plus Boni steigen. Dieses Angebot hat die FCK-Geschäftsleitung gemacht, der Stadtrat entscheidet am Montag. Wie das „große Loch“ (Voigt) zu stopfen ist, darüber würden Gespräche geführt, „wir gehen aber davon aus, dass wir wieder Auflagen und Bedingungen erhalten“. Ob abermals regionale Partner bereit sind, in das Millionengrab FCK zu investieren?
Gerade jetzt, wo der Imageschaden größer kaum sein könnte. Denn die Roten Teufel gehen gerade gegenseitig mit dem Dreizack aufeinander los. Die Trennung von Torwarttrainer-Legende Gerry Ehrmann, der von weiten Teilen der immer noch erstaunlich treuen Fangemeinde als letzter Überlebender aus besseren Herzblutzeiten gefeiert wird, hat den Verein zur Unzeit entzweit. „Tarzan“ Ehrmann, durch dessen harte Schule Nationaltorhüter wie Roman Weidenfeller, Tim Wiese oder Kevin Trapp gingen, soll Chefcoach Boris Schommers mehrfach mit despektierlichen Äußerungen bedacht haben.
Zu einem Abschlusstraining kam der 61-Jährige kürzlich wohl ohne Handschuhe, um die Hände als Zeichen des Protests in den Hosentaschen zu lassen. Darauf deutete auch die zu Wochenanfang verschickte FCK-Pressemitteilung hin, in der es hieß, es sei „mehrfach zu massiven, substanziellen Beleidigungen, Arbeitsverweigerungen und Drohungen gegenüber dem Trainerteam gekommen“. Ehrmann bestritt dies. Mittlerweile haben sich mehr als 10.000 Unterzeichner in einer Onlinepetition für seinen Verbleib eingesetzt. Letztlich mutete die Vereinsmitteilung zur Freistellung der Vereinsikone wie der verzweifelte Versuch an, ein brennendes Haus mit einem Kanister Benzin zu löschen.
Das dämmerte auch Voigt, der die Ehrmann-Partei am Mittwoch zum Gespräch in sein Büro bat. Man einigte sich nur darauf, sich nächste Woche erneut zu treffen – und bis dahin öffentlich keine schmutzige Wäsche zu waschen. Allerdings ist der Flächenbrand weit fortgeschritten: Auf dem Weg zum Trainingsplatz wurde Schommers von einigen Anhängern so derb beleidigt, dass der 41-Jährige nun sagte: „Das möchte keiner erleben. Diese Woche beim FCK war sicher nicht die ruhigste. Aber es gehört zu meinem Job, damit umzugehen.“ Chaos als Alltagsgeschäft.
Dabei hat Schommers mit dem in der Rückrunde noch sieglosen Drittligisten eh schon genug Probleme: Die Abstiegsplätze sind aktuell nur drei Punkte entfernt. Und jetzt geht es zum brisanten Südwestderby beim Überraschungsaufsteiger Waldhof Mannheim (14 Uhr/live SWR), der bis auf Rang drei vorgestoßen ist. Schommers sagt, er habe seine Jungs fürs Prestigeduell im ausverkauften Carl-Benz-Stadion „eingenordet“. Es wäre indes nicht das erste Mal, wenn die Unruhe im Umfeld auf den sportlichen Bereich abfärben würde. Immerhin bestritt Voigt nun, dass einer Niederlage in der Kurpfalz gleich die nächste Trainerentlassung beim FCK folgen würde. Hoffentlich schmilzt dieses Bekenntnis nicht schnell wie der Nassschnee, der sich am Donnerstag auf die Bäume rund um den Betzenberg gelegt hatte.
Ruhe kehrt hier wohl erst wieder ein, wenn an diesem Standort Profifußball angeboten wird. Diese Ambition ergibt sich aus der historischen Verpflichtung für die Erben von Fritz Walter. Voigt beteuert: „Wir wollen in naher Zukunft, möglichst in zwei Jahren, wieder in die Zweite Bundesliga.“ Ansonsten müsse der Apparat verschlankt werden. „Aber wenn wir anfangen, die U21 abzumelden, das Nachwuchsleistungszentrum abzuschaffen, wenn wir da die Axt ansetzen“, führte er aus, dann beraube sich der Verein seiner letzten Wurzeln, die ihn am Leben halten. Also: „Wir wollen dahin zurückkehren, wo man hingehört.“ Nur: Wie oft hat man das rund ums Fritz-Walter-Stadion schon gehört?
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