heute in hamburg
: „Ich bin auf Hilfe angewiesen“

Protestaktion der Linken gegen Hartz IV: 8.30 bis 11.30 Uhr, vor dem Jobcenter für Schwerbehinderte, Stresemannstraße 163

Interview Kaija Kutter

taz: Herr P., wie ist Ihre Situation?

Wolfgang P.: Ich bin blind und orientiere mich mit dem Stock. Da ich alleine lebe, habe ich niemanden, der mir Post vorliest. Ich habe auch kein Gerät, das Schwarzdrucktexte akustisch oder in Blindenschrift überträgt. Ich bin immer angewiesen auf jemanden, der mir hilft.

Und nun haben Sie Stress mit dem Jobcenter?

Ja, ich lebe von Hartz IV und habe in meinem Viertel Anfeindungen durch Nachbarn erlebt, die dazu führten, dass ich psychisch erkrankt bin. Ich habe Angst, die Wohnung allein zu verlassen. Drei Jahre wurde ich von der ambulanten Sozialpsychiatrie, der ASP, betreut. Das weiß das Jobcenter. Da ich im Moment keinen Betreuer habe, bin ich auf Taxen angewiesen.

Aber Sie mussten zum Jobcenter?

Ich hatte einen Termin beim Amtsarzt, weil die mich in Rente schicken wollen. Das war am Tag einer großen Fridays-for-Future-Demo. Ich habe versucht, ein Taxi zu rufen. Es war keins zu haben. Die Stadt war dicht. Ich habe auch versucht, beim Jobcenter anzurufen, um den ärztlichen Dienst zu erreichen und den Termin zu verschieben. Auch das war nicht möglich.

Also verpassten Sie den Termin.

Ja. Und deshalb musste ich zu einer Anhörung. Ich rief sogar bei der Sozialsenatorin an, um die Sache zu klären, bekam aber nur eine Mitarbeiterin ans Telefon. Die empfahl mir übrigens für solche Fälle das ,Blindenmobil‘. Aber das war ausgebucht, als ich zur Anhörung musste. Ich ging da dann in Begleitung eines Mitarbeiters der Linken hin, der für mich auch schon eine Stellungnahme zu der Sache eingereicht hatte. Und ich dachte danach, das wäre mit meiner Fallmanagerin geklärt. Letzten Donnerstag sprach sie mir auf Band, dass ich sanktioniert werde. Ich habe nun 200 Euro weniger und das vier Monate lang.

Haben Sie sich beschwert?

Habe ich vor. Ich finde es eine Unverschämtheit, dass man mich so behandelt.

Wolfgang P., 60, lebt seit über zehn Jahren von Hartz IV. Aus Angst vor Anfeindungen möchte er anonym bleiben.

Demonstrieren Sie heute mit der Linken?

Ich würde, aber ich kann ja die Wohnung nicht allein verlassen. Ich bin für die Abschaffung von Hartz IV und von Sanktionen. Auch Leute wie ich gehören in Arbeit vermittelt. Jeder hat ein Talent.

Was ist denn Ihr Talent?

Ich würde gern Radio machen. Ich bin ein Radiomensch.