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A1 mit Stau: Altmaier und Heil gegen den DGB

Streit über Formular zu Auslandsreisen entbrannt. Es geht um europäische Sozialpolitik

Aus Brüssel Eric Bonse

Ein weitgehend unbekanntes Formular für Dienstreisen in der EU hat heftigen Streit ausgelöst. Es geht um die sogenannte A1-Bescheinigung: Arbeitgeber sehen in dem Formular, das auch bei Geschäftsreisen und dem Entsenden von Arbeitnehmern auch bei kurzen Auslandsaufenthalten ausgefüllt werden muss, ein Bürokratiemonster. Die Gewerkschaften hingegen warnen vor Lohndumping. Nun haben sich auch zwei Bundesminister eingeschaltet – und den Streit weiter angeheizt.

Es gehe um eine „ganz entscheidende Frage für die deutsche und europäische Wirtschaft und das Funktionieren des EU-Binnenmarktes“, schreiben Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in einem Brief an das Europaparlament, der der taz vorliegt. Mit ihrem Vorstoß wollen die Minister auf eine geplante Revision Einfluss nehmen.

Um die „bereits jetzt mit den A1-Bescheinigungen verbundenen bürokratischen Lasten“ zu verringern, sollte die Antragspflicht zeitlich begrenzt werden, fordern Altmaier und Heil. Ihre Empfehlung: Für „kurze und kurzfristige Tätigkeiten“ sollte „eine grundsätzliche Ausnahme“ von der Antragspflicht gelten. Reisen von 7 bis 30 Tagen sollten ausgenommen werden.

Bisher müssen Geschäftsreisende auch bei kürzeren Reisen ins EU-Ausland die A1-Bescheinigung ausfüllen – teilweise sogar bei Kongressen oder Kurztrips. So will die EU dem Lohndumping einen Riegel vorschieben und Missbrauch bei der Sozialversicherung verhindern.

Den Arbeitgebern gefällt dies gar nicht. Die Kontrollen verunsicherten nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Arbeitnehmer, sagte der Chef der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter. Ganz anders sieht das wiederum der Deutsche Gewerkschaftsbund. Für den DGB ist die A1-Bescheinigung ein Schutz vor Ausbeutung und ein Schritt zum sozialen Europa.

Dass die Bundesregierung nun Partei für die Arbeitgeber ergreift, ärgert die Gewerkschaften. Der DGB teile die Haltung von Altmaier und Heil „in keinster Weise“, schreibt das für Sozialpolitik zuständige DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach in einem Antwortbrief, der ebenfalls der taz vorliegt. Eine Ausnahme „würde die Kontrollmöglichkeiten der Finanzkontrolle Schwarzarbeit massiv einschränken und ihre Arbeit erschweren bis unmöglich machen“.

Der Streit kommt zur Unzeit. Denn im Juli übernimmt Berlin den halbjährlich wechselnden EU-Vorsitz. Die Arbeits- und Sozialpolitik soll dabei ein Schwerpunkt werden. Der Konflikt droht nun geplante Sozialreformen in der EU zu erschweren. Die längst überfällige Revision der A1-Bescheinigung steckt fest – nicht zuletzt wegen der harten Haltung der Bundesregierung.

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