piwik no script img

Mehrwert aus dem Inkakorn

Anapqui heißt Boliviens erfolgreichste Genossenschaft der Quinoa-Bauern. Dank eigener Fabrik steigt der Umsatz mit dem biologisch angebauten Superkorn kontinuierlich – auf dem nationalen wie dem internationalen Markt

Weniger Niederschläge und höhere Sonneneinstrahlung erschweren den Quinoa-Anbau Foto: imago

Von Knut Henkel

Quinua Real, königliche Quinoa, steht auf der Packung mit den kleinen rötlich-braunen Körnern, die auf dem Schreibtisch von Ricardo Machicado steht. Darunter prangt das Logo von Anapqui, der Vereinigung von Quinoa-Produzenten Boliviens – ein von bunten Quadraten gesäumtes Oval mit dem Schriftzug der Genossenschaft. „Quinua Real ist ein Qualitätsmerkmal und darf nur für das bolivianische Korn aus den Hochlagen der Anden verwendet werden – es ist nährstoffreicher“, meint Machicado, der zum Team der Geschäftsführung des Genossenschafts-Dachverbandes gehört.

15 Genossenschaften mit 3.000 Familien gehören zu Anap­qui, und alle bauen die krautigen, von Rispen gesäumten Stängel in Boliviens Quinoa-Kammer Challapata biologisch an. Die liegt zwischen den beiden Städten Potosí und Oruro, auf rund 3,500 Meter, über dem Meeresspiegel, und dort hat auch Ricardo Machicado regelmäßig zu tun. „Nahe dem Salzsee von Coipasa befindet sich unsere Anlage zur Waschung, Sortierung und Verpackung von Quinoa, in El Alto läuft die Weiterverarbeitung, und hier im Büro kümmern wir uns um Koordination, Export und die Entwicklung neuer Produkte“, so der 39-Jährige mit der dunklen, tropfenförmigen Brille.

Derzeit haben Machicado und seine Kollegen alle Hände voll zu tun, um Quinoa-Nudeln aus eigener Produktion nach Europa zu exportieren. „Die Anforderungen sind hoch; aber Teil unserer Strategie für die nächsten Jahre ist es, den Export von verarbeiteten Produkten anzukurbeln – wir wollen die Wertschöpfung zugunsten unserer Mitglieder verbessern.“ Mehr Einnahmen dank verarbeiteter Produkte, lautet die Strategie, und dabei orientiert sich das Team um Geschäftsführer Abraham Apaza am Beispiel der Compañeros der bolivianischen Kakao-Kooperative El Ceibo. Die ist mit ihren Schokoladenprodukten aus eigener Herstellung längst zum Synonym für edle Kakaoprodukte zwischen La Paz und Potosí geworden. „Deren Erfolg inspiriert uns, und der Ansatz, weg vom Rohstoffexport hin zur Weiterverarbeitung zu kommen, ist im Interesse unserer Mitglieder. Die bauen schließlich unter schwierigen Bedingungen unsere Quinoa an“, so Apaza. Aus dem benachbarten Büroraum ist er nach der Beendigung seines Telefongesprächs zu uns gestoßen.

Der Klimawandel macht den Quinoa-Produzenten auf den kargen Böden des Altiplano zu schaffen. Weniger Niederschläge, öfter Hagel sowie Wind und höhere Sonneneinstrahlung erschweren den Landbau, und die Agrartechniker aus der Anapqui-Forschungszentrum Proquinat haben alle Hände voll zu tun, um den Bauern mit Windhecken und widerstandsfähigem Saatgut zu helfen. Noch schwieriger ist es, der Konkurrenz aus Peru und anderen Ländern zu widerstehen, die das Inkakorn unter ganz anderen Bedingungen anbauen. „Quinoa wird sogar an der peruanischen Küste unter agroindustriellen Bedingungen mit Einsatz von Pestiziden und chemischen Düngemitteln angebaut“, so Apaza kopfschüttelnd.

Eigentlich ist Quinoa, die seit mehr als 7.000 Jahren von den indigenen Völkern der andinen Hochebenen angebaut wird, traditionell ein Bioprodukt. Doch als 2013 die UN-Ernährungsorganisation FAO zum Jahr der Quinoa deklarierte, trat sie einen Boom um die nussig schmeckenden glutenfreien Körner los. Der ging einher mit der Überstrapazierung der kargen Böden in einigen Regionen Boliviens, aber auch mit dem Anbau von Quinoa auch außerhalb des andinen Hochlandes – nicht nur in Peru, sondern selbst im französischen Loire-Tal. „Unsere Agrartechniker rieten unseren Mitgliedern damals, auf Qualität zu setzen, den Böden die Brachzeiten zu gewähren, die sie brauchen. Zudem setzen wir auf Qualitätskontrolle“, schildert Ricardo Machicado die Strategie seines Arbeit­gebers. Mittlerweile sind wir im Auto auf dem Weg zur Fabrik in El Alto.

Dass es extreme Qualitätsunterschiede gibt, haben dank der nahezu obligatorischen Labortests auch die Importeure begriffen und zahlen für die bolivianische „Quinua Real“ auch Aufpreise. Zu Recht, so Geschäftsführer Apaza: „Unser Produkt ist deutlich nährstoffreicher, wird ausschließlich von Kleinbauern angebaut und ist zu 100 Prozent biologisch.“ Das garantieren die Bio- und Fair-Trade-Zertifikate sowie die regelmäßigen Tests internationaler Labors. Das hat Anapqui eine stabile Nachfrage und Akzeptanz für die verarbeiteten Produkte aus der Fabrik in El Alto beschert. Die liegt an der Avenida Nestor Galindo im Stadtteil Kenko. Das Anapqui-Logo prangt auf einer rotorangefarbenen Backsteinmauer, ein Wachmann weist uns an, zu halten, bis ein Lastwagen mit dem Logo der Schulbehörde das Tor passiert hat. „Unsere Quinoa-Pops sind Teil des Frühstücks der Pennäler. Das hat uns einen Schub verliehen, sodass wir in den Ausbau der Fabrik investieren können“, erklärt Apaza, während wir das Tor passieren.

Für viele Schüler etwa sind Quinoa-Pops Teil ihres Frühstücks

Am Eingang zur Produktionshalle nimmt uns Juan Carlos Colque mit Kitteln, Mundschutz und Haarnetz in Empfang. Colque ist der leitende Ingenieur der Fabrik, wo die angelieferten Quinoa-Körner zu knapp einem Dutzend Produkten verarbeitet werden.

Neben dem Eingang hängt eine bunte Metallplakette, die belegt, dass 2015 auch Geld aus einem EU-Entwicklungsfonds in die Ausstattung der Fabrik floss. Eventuell in die Nudelmaschine aus italienischer Produktion, die gleich neben dem Eingang steht. Gegenüber trocknen in einer containergroßen Kammer auf langen Blechen die Quinoa-Nudeln, die im nächsten Hallenabschnitt verpackt werden. Dort steht auch die Anlage, wo die gepufften Quinoa-Körner für das Schulfrühstück produziert werden, und eine Ecke dahinter wird Keksteig angerührt. Auch die Kekse gehören gemeinsam mit Quinoa-Riegeln und Quinoa-Kuchen zur Produk­tionspalette von Anapqui – und die Bedeutung des Binnenmarktes steigt beständig.

Das war 2013, als die Nachfrage nach den Superkörnern aus den Anden explodierte, ganz anders. Die Preise kletterten, der lokale Konsum sank rapide. In Bolivien hat sich das wieder eingependelt, und Anapqui ist dafür ein gutes Beispiel. „Die Hälfte unserer Produktion geht in den Export, die andere in den nationalen Markt, und peu á peu erobern wir auch die Supermärkte“, schildert Apaza die Entwicklung der letzten Jahre. Die kommt den Produzenten zwischen Oruro und Potosí zugute. Sie erhalten 780 Bolivianos – umgerechnet 102 Euro – für 46 Kilogramm frisch geerntete Quinoa. Auf dem lokalen Markt liegt der Preis bei 500 Bolivianos, rund 65 Euro. Der satte Zuschlag wird erst durch die steigenden Erträge aus der Fabrik möglich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen