Laura Binder über Upcycling-Mode: Vorbilder zum Nachahmen
Handgereichte Apfelschnitze, Saft und Kekse gibt es selten auf Modenschauen. Ebenso selten wird vor dem Schaulaufen der Models ein Vortrag über Mode und Klima gehalten. Bei einer unkonventionellen Fashion Show stand am Dienstagabend aber beides auf dem Programm.
Im Oxfam-Laden in der Wilmersdorfer Straße wurde Upcycling-Mode präsentiert. 17 angehende LehrerInnen der Technischen Universität (TU) Berlin haben aus alten Wollteilen wie Pullovern oder Ponchos neue Sachen genäht und in einer Abschlusskollektion rund 60 Gästen vorgeführt. Für ihre Mode liefen sie selbst über den improvisierten Laufsteg.
Beim Blick auf die Modeindustrie bestehe Grund zur Klimapanik, sagt Josephine Barbe. Sie ist Textilforscherin und Designerin an der TU im Fachgebiet Arbeitslehre und Ökonomie. „1,2 Billionen Tonnen CO2 stößt die Textilbranche jedes Jahr aus.“ Das seien mehr als alle internationalen Flüge und Kreuzfahrten zusammen. Im Fast-Fashion-Zeitalter würden die Leute zu viel kaufen, ein Drittel der Kleidung werde nicht einmal getragen, sondern sei „direkt für die Tonne“. Diese Wegwerfmentalität gab den Anlass zu der Modenschau unter dem Motto „Pullis gegen CO2“.
In ihrem halbstündigen Vortrag verweist Barbe auf Zahlen und Fakten, die nicht neu sind, die aber das Publikum oft erstaunt raunen ließen. „Wie lange tragen Sie Ihre Kleidung?“, fragt sie die Anwesenden. Die zucken erst mit den Schultern: „Bis sie kaputt ist.“ – „Was oft sehr schnell geht“, bemerkt eine Frau.
Was die Qualität vieler Fast-Fashion-Artikel angehe, so entspreche die Lebensdauer der einer Plastiktüte, kritisiert Barbe. Im Schnitt landen jährlich pro Kopf 12 bis 15 Kilogramm Kleidung in deutschen Altkleidertonnen. Würde man Lkws damit beladen und aneinanderreihen, stünden sie von Innsbruck bis Flensburg t.
Die angehenden LehrerInnen hätten sich im Seminar mit Absicht auf Wolle beschränkt, erklärt Barbe. Das Material hat die schlechteste Umweltbilanz: Die Schafe setzen bei der Wollproduktion Unmengen von Methan frei, das wiegt 25-mal so schwerer wie CO2. Auch die Landnutzung und die Futtermengen der Tiere sind enorm klimaschädlich.
Die ModeschöpferInnen auf Zeit verwendeten also recycelte Wolle aus Altkleidern. Diese ist CO2-neutral, weil der Rohstoff bereits vorhanden ist. In einem sechswöchigen Seminar wurden Pullover mit Mottenlöchern oder unmodischen Webmustern zu Jacken, neuen Pullis oder Kleidern. Die Teile gibt es nicht zu kaufen, die MacherInnen tragen sie selbst – aber sie dienen als Vorbild zum Nachahmen.
„Pullis gegen CO2 funktionieren nicht nur beim Upcycling“, sagt Josephine Barbe am Dienstagabend. Denn wer im Winter öfter einen warmen Wollpullover trage, müsse auch weniger heizen. Und das sei ebenfalls gut fürs Klima.
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