berliner szenen
: Ihr Mäuse geht nicht wegen uns

Gerade unterhalten A. und ich uns angeregt in einer Neuköllner Eckkneipe über Erziehung, als mit einem Mal eine Gruppe im Alter unserer Eltern vor uns steht und einer der Männer fragt: „Dürfen wir uns zu euch gesellen?“ A. erwidert: „Ihr könnt den Tisch haben. Er ist eh viel zu groß für uns.“ Eine der Frauen aber ruft: „Quatsch! Ihr Mäuse steht nicht wegen uns auf! Wir gehen eh nach einem Schnaps!“

Die Gruppe nimmt um uns herum Platz. Eine Frau erzählt, dass sie eine Gruppe seien, die regelmäßig gemeinsam Ausflüge mache. Gerade kämen sie von der Grünen Woche: „Aber an der Hermannstraße haben die drei gebürtigen Neuköllner von uns Heimweh bekommen, und wir sind auf einen Absacker ausgestiegen.“

Sie reden über Neukölln: Dreckig sei es im Vergleich zu früher geworden. Und voll. „Mir sind hier einfach zu viele Türken“, sagt die Frau neben mir bestimmt. Ich möchte das nicht so stehen lassen und frage gedehnt: „Wieso das?“ Sie erklärt, dass sie eben ihre Erfahrungen mit „diesem Schlag Mensch“ gemacht habe: „Vor allem mit der Respektlosigkeit der Männer.“

A. und ich hören ihr eine Weile zu. Dann gibt A. ihr sachte zu bedenken, dass man Einzelerfahrungen doch nicht einfach so verallgemeinern könne. Zu meinem Erstaunen lenkt die Frau ein: „Das möchte ich ja auch gar nicht. Ich kenne auch ein paar gut erzogene Türken. Ich arbeite sogar mit zwei von denen zusammen. Da gibt es überhaupt keine Probleme.“

Als die Gruppe nach einer halben Stunde immer noch keine Anstalten macht, die Kneipe zu verlassen, bitten A. und ich um die Rechnung. Vor der Tür frage ich A.: „Meinst du, wir haben die Frau zum Nachdenken gebracht?“ A. legt ihre Stirn in Falten und sagt: „Das wage ich zu bezweifeln. Lass uns Döner essen gehen.“

Eva-Lena Lörzer