Lars Penning
Filme aus dem Archiv –
frisch gesichtet
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Ehe der französische Regisseur Jacques Becker eigene Filme drehte, hatte er lange als Assistent von Jean Renoir gearbeitet. Und wie in den Filmen seines Mentors waren auch bei Becker die Charaktere und ihre Verortung im Milieu wichtiger als der Plot. Becker war Meister der Kleinigkeiten, Abschweifungen, Atmosphäre: Figuren charakterisierte er durch präzise Gesten und eine penible Auswahl von Kostümen und Dekoration. In „Antoine et Antoinette“ (1947) ist schon die Hälfte des Films vergangen, ehe er zum eigentlichen Kern der Geschichte vordringt: Ein junges Paar aus dem Arbeitermilieu hat in der Lotterie viel Geld gewonnen, doch das große Los verlegt. Ohne falsche Sentimentalität schildert der Film das Leben im Nachkriegsparis: das Viertel, in dem das Paar wohnt, und die bescheidenen Verhältnisse der Leute, wo ein kaputtes Fahrrad bereits bedeuten kann, dass man nicht weiß, wie man am nächsten Tag zur Arbeit kommen soll (Om engl. U, 9. 2., 18 Uhr, Arsenal).

Einen der interessantesten Filme des letzten Jahres drehte der amerikanische Regisseur Ari Aster mit „Midsommar“, in dem Horrorstück begleitet eine Gruppe amerikanischer Studenten einen schwedischen Kommilitonen in seine Heimat zu einer heidnischen Gemeinschaft, die sich bald als Kult mit grausamen Menschenopferritualen entpuppt. Trotz Genreelementen ist „Midsommar“ aber kein reines Schlachtfest, sondern verdeutlicht schön, was für manche Menschen die Attraktivität von Sekten ausmacht: Hauptfigur Dani (Florence Pugh) hat im Vorfeld der Reise ein emotionales Trauma erlitten, findet jedoch bei ihrem depperten Freund und seinen Kumpels nicht die Unterstützung, die sie benötigt. Die bietet ihr stattdessen die auf unbedingte Gemeinschaft setzende Sekte – trotz der abstoßenden Grausamkeiten (OmU, 7. 2., 22 Uhr, Tilsiter Lichtspiele, 10. 2., 22.30 Uhr, B-ware! Ladenkino).

Das Meisterwerk von Ernst Lubitsch ist die elegante Gaunerkomödie „Trouble in Paradise“ (1932), in der zwei Ganoven die Erbin eines Parfümkonzerns um ihr Vermögen erleichtern wollen. Doch der Plot ist allenfalls Vorwand für das amoralische Verhalten aller Beteiligten im Umgang mit Sex, Macht und Geld. Lubitschs Kunst besteht dabei in der indirekten Erzählweise, mit der die Figuren charakterisiert werden: Als Gaston seinen Posten als neuer Privatsekretär der Erbin annimmt, sieht man in schneller Folge Bedienstete, die stets „Yes, Monsieur“ und „No, Monsieur“ sagen. Nur das Dienstmädchen antwortet kokett: „Maybe, Monsieur.“ Eine umfangreiche Lubitsch-Reihe ist im Babylon Mitte zu sehen (OmU, 10. 2., 21.45 Uhr, Babylon Mitte).