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Stefan Hunglinger sichtet die sozialen Bewegungen der Stadt

Wenig mehr als 20 Jahre sind vergangen, seit Neonazis ein Ferkel mit einem aufgemalten Davidstern und dem Namen des Vorsitzenden des Zentralrats der Juden über den Alexanderplatz trieben. Wenige Tage erst, seit bekannt wurde, dass ein jüdisches Mitglied der Fahrbereitschaft des Bundeskanzleramts im Kollegium als „Judensau“ beschimpft wurde. Inmitten der Hauptstadt riefen diese Vergehen ein Bild auf, das in anderen deutschen Stadtzentren, in Wittenberg etwa, seit 700 Jahren in Stein gemeißelt sichtbar ist. Ein Motiv, das die Nationalfigur Martin Luther vor 500 Jahren schwarz auf weiß reproduzierte.

Das Motiv „Judensau“ – mensch mag das Wort kaum schreiben – zeigt, wie lange und tief Antisemitismus hier im sozialen Gefüge steckt. (Antisemitischer) Rassismus und Faschismus: das ist eben kein zwölfjähriger „Vogelschiss“, es sind Realitäten, historische, kontinuierlich schwelende und zunehmend eruptive.

Offiziell hat das Gedenken an die NS-Verbrechen in der Bundesrepublik einen hohen Stellenwert. Doch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) verliert ihre Gemeinnützigkeit, während Völkische und NS-Relativierende in den Parlamenten und Gremien zunehmen.

Der Internationale Gedenktag für die Opfer des Holocaust – genau 75 Jahre sind vergangen, seit die Rote Armee ­Auschwitz befreite – bietet die Möglichkeit, sich mit VVN-BdA zu solidarisieren und den Neo­fa­schis­t*in­nen eine Absage zu erteilen.

Schon am Samstag gilt es beim Antifaschistischen Gedenken am „Denkmal zur Erinnerung an die Opfer der Zwangsarbeit“ auf dem Parkfriedhof Marzahn Präsenz zu zeigen und die VVN-BdA zu unterstützen. Viele ihrer Mitglieder waren selbst von den Verbrechen des NS-Faschismus betroffen oder sind direkte Nachkommen von Opfern der Schoah. (25. 1., 10 Uhr, Wiesenburger Weg 10).

Am 27. Januar selbst wird der Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde (12 Uhr, Tiergartenstraße 4), und der verfolgten Homosexuellen gedacht (12 Uhr, Ebertstraße, Höhe Hannah-Arendt-Straße). Auch am Denkmal für die verfolgten Sinti und Roma Europas gibt es ein Gedenken (15 Uhr, Scheidemannstraße 5).

In Pankow wird die Antifaschistische Kundgebung seit vielen Jahren von der Pankower VVN-BdA mitgestaltet. „Vor dem Hintergrund von zunehmendem Rassismus sowie Neonazismus, einer Umdeutung der jüngsten Geschichte und eines verstärkten Nationalismus“ ziehen Menschen hier auf die Straße (27. 1., 18 Uhr, Berliner Straße 120).

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