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ZWISCHEN DEN RILLENHealth: Farbe bekennen mit Lärm

Von der Musik einer Band, deren Bandname Wohlbefinden impliziert, erwartet man für gewöhnlich zarte Streicher, helle Gongs und weitere nervenberuhigende und stressreduzierende Therapie-Elemente.

Health, die Band aus der südkalifornischen Metropole Los Angeles, die sich zwecks Auffindbarkeit im Internet als Health-Music getagged hat, evoziert mit ihrem Namen aber die Vorstellung einer falschen Beschaulichkeit. In der Tat ist ihr Sound alles andere – von psychedelischem Noise über perkussionlastigen Rock bis zu tanzbarem Electro. Nach dem selbstbetitelten Debütalbum 2007 („Health“) und einer Remixe-Discosause im vergangenen Jahr („Health//Disco“) peitscht das Nachfolgewerk „Get Color“ abermals wuchtig nach vorne. Atemlos jagen die neun Songs dahin und finden nach einer knappen halben Stunde infernalischer Klangverdichtung in dem sechsminütigen Finale „In Violet“ ein elegisches Ende. Je rauer und bedrohlicher das Quartett Schlagzeug sowie Bass- und Gitarrenriffs einsetzt, desto fragiler setzt sich der seltsam geschlechtslose, fast sakral anmutende Gesang davon ab. Der Junge mit der eindringlichen Gesangsstimme, der bisweilen auch die Gitarre in die Hand nimmt, heißt Jake Duzsik und teilt sich die Bühne mit dem Bassisten John, dem Gitarristen Jupiter und dem Schlagzeuger BJ. Duszik liegt aber eher daran, in einer kollektiven Noise-Wolke aufzugehen, statt als Scheinwerferlicht absorbierender Bandleader zu glänzen. Hervorzuheben ist hingegen, dass es der Krachband gelingt – trotz der offenen Klangstruktur von wechselnder Rhythmik, an- und abschwellender Lautstärke und amorpher, niemals wirklicher greifbarer Vocals – ein wiedererkennbares musikalisches Profil zu kreieren. Dieser lichterlohe Funke, der bei den zahlreichen Festivalkonzerten von Health auch auf das Publikum übergesprungen ist, erlaubt es den Musikern, sich durch einen äußerst erfolgreiches Grassroots-Merchandising zu finanzieren. Bei einer Band, die sich in einer Zeit fortgeschrittenen Filesharings formiert und durch zahlreiche Gratisauftritte von sich Reden gemacht hat, ist es vielleicht nicht mal ein Witz, dass sie mehr neonfarbene American-Apparel-V-Neck-Shirts denn Platten verkauft. Ums Farbebekennen geht es nun eben auch auf dem jüngsten Album „Get Color“, das trotz des strukturell unruhigen Untertons und des Aufziehens von repetitiven Noisewänden nicht in martialische Beliebigkeit abdriftet, sondern sich immer wieder zu einer feingeistigen Melancholie in die Höhe zu schrauben vermag.

Um dem Health’schen Klanguniversum gerecht zu werden, gibt es im Internet zu Selbstverwaltungszwecken neben der Schublade „Health//Disco“, „Health//Fashion“ (dort gibt es die Apparel-Shirts) nun auch „Health//Noise“. Letzteres ist auf jeden Fall bezeichnender als die Einstiegskategorie Health-Music. Die kathartische Wirkung einer solchen, etwas härteren Musik ist bekanntlich nicht zu unterschätzen.

SARAH ANTONIA BRUGNER

■ Health: „Get Color“ (City Slang)

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