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Warum sind sie syrischen Flüchtlinge 'ausgesprochen bildungs- und aufstiegsorientiert'?
Die AutorIn vermutet:
'Anders als hiesige Arabischstämmige sind die neu Eingewanderten eben nicht von klein auf mit massiven Stigmatisierungen und Vorurteilen nachhaltig demotiviert und gedemütigt worden.'
Diese Schlußfolgerung ist nicht notwendig. Dann müßte es sich mit nichtsyrischen Flüchtlingen, die ebenfalls nicht von klein auf hier leben, ähnlich verhalten. Sind die auch 'besonders aufstiegs- und bildungsorientiert'? Wie sehen die Fakten hierzu aus?
Meistens ist es ein ganzes Bündel von Ursachen, die soziale Phänomene wie 'Bildungs- und Aufstiegserfolg' oder Mißerfolg erklären - die Reduktion auf eine Ursache greift in der Regel zu kurz. Eine gute Analyse hat den Blick zu weiten.
Möglicherweise gibt es Besonderheiten der syrischen Kultur, die bei der Erklärung der 'Bildungs- und Aufstiegsorientierung' der Syrer eine Rolle spielen?
Und selbst 'Stigmatisierungen und Vorurteile', soweit sie denn vorhanden sind, mögen im Kontext des einen Faktorenbündels demotivieren, im anderen gerade motivieren ('jetzt erst recht!).
Zu suchen ist immer auch nach kulturellen Elementen der 'Selbstausschließung' von sozialen Gruppen. Paul Willis hat vor langer Zeit in der englischen Arbeiterschule solche Faktoren vorgefunden: 'Bildungsorientierte' wurden als effeminierte 'ear (h)oles' abgewertet und ausgegrenzt. Coleman Hughes und John Mcworther verweisen auf ein ähnliches Phänomen in der Kultur der Afro-Amerikaner: Bildungsorientierte schwarze Schüler werden als 'acting white' diskreditiert.
Israels Premier Netanjahu zündelt, um an der Macht zu bleiben. Die Menschen in der Region, die Frieden wollen, drohen unter die Räder zu geraten.
Diskriminierung: Bitte mehr Araber!
Eine E-Mail belegt Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt. Gut, dass die öffentlich wurde!
Ob Bauen auch Fachkräfte geht? Foto: dpa
Bitte keine Araber“: Das war mal eine ehrliche Absage, die ein Berliner Architekturbüro da, wie diese Woche bekannt wurde, an einen Bewerber ägyptischer Herkunft geschickt hat. Versehentlich, wie das Büro später in einer Entschuldigung mitteilte – schade! Denn man möchte der Firma wünschen, dass eineR der dort Beschäftigten den Mut hatte, die Diskriminierung öffentlich zu machen. Die Person verdiente eine Auszeichnung.
Es ist nämlich trotz aller Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsgesetze, -trainings und -handreichungen immer noch viel zu einfach, bei Einstellungen zu diskriminieren. Denn es ist ja, wenn man seine Kriterien nicht so klar formuliert wie die Berliner Architekten, kaum nachzuweisen, warum jemand nicht eingestellt wird.
Deshalb ist es gut, dass genau diese interne Mail bekannt wurde. Männer arabischer und afrikanischer Herkunft sind (neben Kopftuchträgerinnen) vom Aussortierungsbedürfnis privater wie öffentlicher Arbeitgeber*innen am härtesten betroffen.
Es ist meist kaum nachzuweisen, warum jemand nicht eingestellt wird
Das verwundert nicht. Denn an deren schlechtem Image arbeiten unterschiedliche Akteur*innen perfekt zusammen: Medien und Polizei etwa, wenn sie gemeinsam in Shishabars Flaschen konfiszieren, auf die verbotenerweise kein Pfand erhoben wurde, Politik und Polizei, wenn sie im Görlitzer Park schwarze Dealer besuchen – und deren weiße Kundschaft, nicht unwichtig für das kriminelle Business, dabei stets übersehen. „Schwarze“ sind Dealer, „Araber“ clankriminell (und auch noch Muslime, ein weiterer Diskriminierungsfaktor). Dass junge Männer aus beiden Bevölkerungsgruppen teils gar keinen Sinn mehr in einer Berufsausbildung sehen, da sie keine fairen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt erwarten, hängt auch mit dieser massiven öffentlichen Stigmatisierung zusammen.
Gutmenschengerede? Ich versuche es mal anders herum: Dass viele der jungen syrischen Flüchtlinge ausgesprochen bildungs- und aufstiegsorientiert sind, könnte darauf hinweisen, dass es vielleicht gar nicht an der arabischen Herkunft liegt, wenn hier Aufgewachsenen diese Motivation fehlt. Sondern daran: Anders als hiesige Arabischstämmige sind die neu Eingewanderten eben nicht von klein auf mit massiven Stigmatisierungen und Vorurteilen nachhaltig demotiviert und gedemütigt worden.
Menschen können so lange nach ethnischer Herkunft und/oder Religionszugehörigkeit aus dem Arbeitsmarkt aussortiert werden, wie das Angebot an Bewerber*innen ohne die stigmatisierten Zugehörigkeiten groß genug ist. Ist das, wie heute bereits in vielen Berufsbereichen, nicht mehr der Fall, kommt man vielleicht irgendwann dahinter, was nötig, richtig und wichtig wäre: Bitte mehr Araber!
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Kommentar von
Alke Wierth
Kolumnistin taz.stadtland
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